Madonna, ein Blonder!
noch dicker belegt als bei » Kiss Pizza«. » Nicht ein bisschen viel?«, hatte mich Mirco gefragt, als wir telefonisch unsere Wünsche durchgaben, dann » Boh!« gemacht und für sich und Sarah jeweils eine Margherita bestellt. Was ich als Ausdruck von Geldmangel wertete und deshalb beschloss, die WG das nächste Mal zum Pizzaessen einzuladen und zu sagen: » Nehmt jeden Belag, den ihr wollt: Extra Salami, extra Käse, extra Oliven, ganz wie es euch beliebt!«
Jetzt wälze ich mich unruhig im Bett, während Mircos gleichmäßige Atemzüge verraten, dass er tief und friedlich schläft.
Leise tappe ich aus dem Zimmer, um einen Schluck Wasser zu trinken. Als ich das Licht anknipse, höre ich ein Miauen. Kater Mao sitzt auf einem Stapel Unterlagen auf dem Küchentisch und starrt auf den Boden. Bewacht er die Papiere, oder liegt er auf der Lauer?
Als er mich sieht, drückt er sich vom Küchentisch ab, segelt durch die Luft und flüchtet sich hinter einen Vorhang, während der ganze Papierstapel auf dem Boden landet. Als ich mich daranmache, alles aufzusammeln, fällt mein Blick auf Elisas Wochenplan, und unter dem Datum des morgigen Tages lese ich: » Besuch des altrömischen Pantheon. Anschließend gemeinsames Mittagessen.«
Signora! Signooooora! Die verlorene Frau Schulze
Am nächsten Morgen sitze ich schon ab dem frühen Vormittag auf den Stufen des Brunnens vor dem Pantheon und warte. Eigentlich weiß ich gar nicht, warum ich hier bin: Elisa hat eine Führung, sie wird sich mir jetzt kaum in die Arme stürzen, ihre deutschen » Huber-Reisen«-Rentner verlassen und mit mir ans Meer fahren. Im schlimmsten Fall könnte sie sogar recht sauer reagieren. Aber irgendetwas sagt mir, dass es richtig ist.
Die Fotoausrüstung scheint in der Hitze noch schwerer als sonst– ich will gegenüber Elisa so tun, als sei ich, natürlich rein zufällig , just heute für eine Reportage über das Pantheon hier. Dafür habe ich mir alle Kameras und Objektive umgehängt, die ich besitze. Hoffentlich nimmt sie mir die Geschichte ab.
Je höher die Sonne steigt, desto mehr Touristen kommen auf den Platz. Alleinreisende, Pärchen, dann die Reisegruppen: voraus die Führerin, in der Hand einen erhobenen Regenschirm oder einen Stock mit einem Fähnchen, dahinter, mit Audioguides um den Hals, die Urlauber. Elisas Gruppe lässt auf sich warten. Wollten sie nicht vor dem Mittagessen kommen? Nach römischer Zeit– hier geht man ab 14 Uhr zum Essen– oder nach deutscher, also gegen 12 Uhr? Und welche Verspätung muss man dazurechnen bei Elisa? Eeeh, il traffico.
Endlich kommt sie mit ihrem Grüppchen, wobei die meisten, die ihrem » Huber-Reisen«-Schild folgen, aussehen, als wollten sie gleich ins Hochgebirge. Rot, orange, grün oder dunkelblau glänzende Outdoorjacken, Funktionshosen, Trekkingschuhe.
In der Vorhalle des Pantheon bleibt die Gruppe stehen, ich gehe völlig harmlos in diese Richtung und schieße alle möglichen sinnlosen Fotos. Elisa sieht etwas müde aus, ihre Augen sind kleiner als sonst, und ihr Lächeln ist nicht strahlend, sondern angestrengt. Sie rasselt jetzt Zahlen, Fakten und Anekdoten zum Pantheon herunter. Dass es zwischen 118 und 125 nach Christus von Kaiser Hadrian erbaut wurde, dass die Kuppel mit dem Loch 1700 Jahre lang die größte der Welt war, dass es das am besten erhaltene Bauwerk der Antike in Rom ist. » Diese Vorhalle müssen Sie sich mit Bronze verkleidet vorstellen«, sagt sie. » Die Decke wurde von Papst Urban VII . eingeschmolzen, um den Hochaltar von Sankt Peter zu bauen.« Sie schlägt ein Buch auf und deutet auf eine Zeichnung: » Weil der Papst, der die Bronzedecke entfernen ließ, aus der Familie der Barberini kam, haben die Römer dann gesagt: Was die Barbaren nicht schafften, zu zerstören, haben die Barberini geschafft: Quod non fecerunt barbari, fecerunt Barberini. «
Anerkennendes Nicken in der Runde.
» Aber heißt es nicht: Quod non facunt barbari, facunt Barberini? « Ein Rentner runzelt die Stirn.
Elisa schaut ihn groß an.
» Nein, stimmt auch nicht. Es heißt: Quid non facint barbari, facint Barberini. « Ein anderer Mann hat sich ebenfalls eingemischt.
Elisa ist irritiert. Sie wühlt in ihren Unterlagen, ein paar Blätter fallen aus einem Ordner, sie hebt sie hastig vom Boden auf. Ähnlich hastig blättere ich in meinem Reiseführer. Da steht es doch, so wie Elisa gesagt hat: » Quod non fecerunt barbari, fecerunt Barberini.«
Die Gruppe wartet noch immer auf eine Antwort
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