Madonna, ein Blonder!
gemeldet habe. Ist es das übliche Schicksal für einen Blonden in Rom, alle paar Tage eine neue Katastrophe bei der Polizei anzuzeigen?
» Prego!«, kommt es wieder von rechts aus dem dunklen Zimmer. Ich beachte es nicht, laufe gleich weiter die Treppen hinauf, denn ich weiß ja schon, dass es » appe-sters-e« ist. Auf der Hälfte der Stufen höre ich jedoch von hinten ein erneutes, diesmal donnerndes » Prego!«, und aus dem dunklen Zimmer tritt der Polizist vom letzten Mal nach draußen. Wenn ich jetzt noch einen Schritt weitergehe, wird er mich erschießen.
» Ich muss zu Gennaro, schnell!«
Das leichtfertig gesagte Wort » Gennaro« bringt ihn aus der Fassung. » L’Ufficiale Gennaro Montuori?«
» Ja, genau der!«
» Der Offizier ist nicht da, Außendienst.« Das hatte ich nicht erwartet. Gennaro im Außendienst? Mit seinen halblangen Haaren, dem Kurzarmhemd und den Tattoos?
» Ich muss ihn sprechen. Dringend!«
Eine halbe Minute später habe ich Gennaro in der Leitung. » Oohu, biondino «, begrüßt er mich. Ich schildere kurz die Lage. » Beweg dich nicht vom Fleck. Ich bin in fünf Minuten da.«
Gennaro kommt mit Blaulicht um die Ecke und bleibt direkt neben uns stehen. Er steigt aus dem Wagen, legt die Hände flach vor der Brust zusammen, als wolle er kopfüber in ein Schwimmbecken springen, lässt sie mehrfach hoch- und runterfahren, hebt die Augenbrauen und ruft aus: » Madonna, biondino, ma che ti è successo! « Was mir denn jetzt schon wieder passiert sei, will er wissen.
Ich schiebe ihn zurück hinters Steuer, Dino und ich zwängen uns auf den Rücksitz. » Gleich, Gennaro. Können wir losfahren?«
» Bella non è.« Schön ist sie nicht, ist Gennaros erster Kommentar, als er ein Foto der verloren gegangenen Frau Schulze sieht. Er greift zum Funkgerät: » Gesucht wird eine Signora tedesca, hellbraune Dauerwelle bis zu den Schultern, schmales, langes Gesicht. Zum letzten Mal gesehen um 13 Uhr am Pantheon. Die Frau hört auf den Namen…«, Gennaro schaut mich stirnrunzelnd an und spricht weiter: » Sku…, Skulsche…, Skulze.«
» Das war’s«, sagt er. » Jetzt können wir nur noch beten.« Als wir an einer Kirche vorbeifahren, machen Gennaro, Dino und ich alle ein Kreuzzeichen.
Noch 30 Minuten. Was sollen wir tun? Wie findet man eine Touristin in den engen Gassen Roms, mitten in der Hochsaison? Wir können nur herumfahren und Ausschau halten. Währenddessen üben Gennaro und Dino den Namen » Schulze«. » Schu…«, mache ich. » Sku…«, sagen sie.
Noch 25 Minuten. Gennaros Polizeiauto ist zwar nur ein kleiner Fiat, verschafft sich aber überall Respekt, wo er auftaucht. Als wir in die Via del Corso einbiegen wollen, bremst ein Autofahrer scharf und lässt uns die Vorfahrt. Am Largo Argentina halten plötzlich die Mopeds an der roten Ampel, Taxifahrer, die eben noch Touristen abgezockt haben, nicken uns unterwürfig zu. Doch von Frau » Skulze« ( » Nein, Schulze, Gennaro!«) bislang keine Spur.
Noch 20 Minuten. Gennaro schlägt eine Pause beim Eiscafé » Giolitti« nahe des Parlaments vor. » Vielleicht kommt sie ja dorthin!« Eis? Jetzt? Drinnen ist die Hölle los. Gennaro drängelt sich vor. » Polizei, scusi, Polizei, scusi «, murmelt er und bringt uns allen einen Becher– für ihn Zabaione, Malaga und Pistazie, für Dino Joghurt, Himbeere und Schokolade, für mich Zitrone, Schokolade und Zimt.
Noch 10 Minuten. Nur noch 10 Minuten! Dino geht an die Bar, beginnt sein Eis zu löffeln und aufmerksam den Barista zu beobachten. Gennaro stellt draußen seinen Eisbecher auf die Kühlerhaube des Polizeiautos, um das sich in dieser schmalen Gasse alle herumdrängeln müssen, um weiterzukommen. Ein Passant blafft ihn an: » Oohu, entschuldige mal, könnt ihr nicht woanders parken?« Dazu macht er die Che-cazzo -Geste mit den zusammengeführten Fingerspitzen. In Deutschland würde das teuer werden: duzen und beleidigen in einem.
Dino und Gennaro haben die Ruhe weg. Ich denke an Elisa und Frau Schulze. Wir müssen sie finden. Wir müssen! Und was macht Gennaro? Er erzählt mir irgendwas von einem günstigen Telefontarif!
» Eine was, Gennaro?«, sage ich entnervt. Es kann doch nicht sein, dass ich die Liebe meines Lebens verliere, weil ein durchgeknallter Polizist Eis essen und Telefontarife diskutieren will.
» Una Flatt-e«.
Ich schaue ihn verständnislos an.
» Una Flatt-e, una flatt-e-rait-e.«
Eine Flatrate, okay. Aber hallo, wir müssen Frau Schulze finden! Cazzo!
Und
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