Madonna, ein Blonder!
Ich fühle mich wohl, auch wenn Elisa leider immer bis zum späten Abend mit der Touristengruppe von » Huber-Reisen« unterwegs ist. So kenne ich zwar inzwischen Sarahs und Mircos Vorlieben beim Konsum leichter Drogen und höre Mirco im Schlaf reden, Elisa und ich sehen uns aber kaum. Hm. Noch einmal » zufällig« bei einer Führung aufkreuzen will ich nicht, denn irgendwie hat Elisa mir das mit der Fotoreportage nicht abgenommen, obwohl sie sich wahrscheinlich nicht recht erklären kann, woher ich von ihrer Anwesenheit am Pantheon wusste.
Am Morgen des vierten Tages klingelt mein Telefon: Die Bauarbeiter aus meiner Wohnung erklären, das Loch in der Wand sei gestopft. » Morgen kannst du wieder zurück.« Obwohl im Hintergrund weiterhin der Bohrer dröhnt, sage ich zu.
Den Tag verbringe ich im Auslandspresseverband, wo ich mittlerweile einen Arbeitsplatz habe und deshalb so nahe bei der Fontana di Trevi bin, dass ich dort, am Brunnen sitzend, zu Mittag essen kann. Sehr privilegiert für eine ordinäre Arbeitspause, denn für Hunderte, ja Tausende von Touristen ist das hier vielleicht sogar die Hauptattraktion ihrer Romreise– an diesem berühmten Brunnen zu stehen und eine Münze hineinzuwerfen und sich eine Rückkehr zu wünschen.
Während um mich herum die Geldstücke in den Brunnen fliegen und die Fotoapparate klicken, schickt Elisa eine SMS . Es sei der letzte Tag mit der Reisegruppe und sie wolle fragen, ob ich beim Abschlussessen dabei sein möchte– immerhin hätte ich meinen Teil zur » Rettung von Frau Schulze« beigetragen. Die letzten beiden Worte der SMS lauten: » Bacio, Elisa.« Wow, denke ich und sage zu.
Dieser Abend wird mein bis dahin glücklichster in Rom. Mir gegenüber sitzt Elisa, rundherum die Reisegruppe. Immer wieder muss ich erzählen. Woher ich den Polizisten Gennaro überhaupt kenne und wie wir Frau Schulze gefunden haben. Je öfter ich davon berichte, desto mehr schmücke ich die Geschichte aus, deklariere Gennaro gar als » alten Freund«: » Wir beide haben schon die tollsten Sachen erlebt…«
Das » Ai Marmi«, eine Pizzeria im mittelalterlichen Viertel Trastevere, ist eines der Lieblingslokale von Elisa: Dort kennt man keine Touristenmenüs und keine separaten Räume, ja, nicht einmal Stofftischdecken oder eine Weinkarte. Es ist in grelles Neonlicht getaucht und wirkt so anheimelnd wie der Kontrollraum eines Atomkraftwerks. » Je ungemütlicher ein Lokal beleuchtet und eingerichtet ist, desto besser das Essen«, erklärt Elisa. Wenn ihre Behauptung stimmt, muss das Essen hier das beste der Welt sein, denn die Pizzeria ist nämlich tierisch ungemütlich.
» Was nimmst du?« Elisa sieht, wie ich aufmerksam die Karte studiere. Es gibt so viele verschiedene Pizzen, dass ich mich nach einem sozialistischen Land sehne, wo nur eine Sorte angeboten wird. Der Kellner nimmt schon die Bestellungen auf, ich murmle immer noch Zutaten und Namen vor mich hin. » Kapern… hm… Salami…hm… Thunfisch… hm… Ich weiß es nicht, ich weiß es nicht.«
» Nimm eine Margherita«, schlägt Elisa vor und nickt mir aufmunternd zu.
Ich schüttle den Kopf. » Na, so schlecht verdiene ich als freier Journalist nun auch nicht.« Ich denke an Mirco und Sarah, die Armen, die zuletzt ebenfalls nur Pizza Margherita bestellt haben. Wenn schon das Geld nicht für ein paar Pilze reicht, wie bedürftig muss man da sein?
Doch Elisa verändert meine bisherigen Gewohnheiten mit einer lapidaren Feststellung: » Nur bei einer Margherita erkennt man, ob die Pizza wirklich gut ist. Eine sehr gute Margherita ist die beste Pizza der Welt. Eine schlechte Cappricciosa dagegen erkennt man gar nicht als schlecht. Alles wird überlagert vom Belag.«
Zum ersten Mal seit meiner Teenagerzeit, als ich versuchte, Geld zu sparen, verzichte ich auf den Belag und bestelle eine Margherita.
» Vertrau mir«, sagt Elisa.
» Hm.« Mal sehen, denke ich.
Das Zweite, was Elisa durchsetzt, ist, dass ich auf Wein verzichte. Zu Pizza trinke man nur Bier. Wein würden nur die Touristen bestellen. Dass es im » Ai Marmi« nur 0,66-Liter-Flaschen der römischen Brauerei Peroni gibt, trägt dazu bei, dass die ganze Gruppe von » Huber-Reisen« ziemlich rasch ziemlich gut gelaunt ist.
Und was mich angeht: Je mehr ich trinke, desto stärker gewinne ich die Überzeugung, dass es zwischen mir und Elisa knistert. Zumindest kann man sich das leicht einreden mit ein, zwei Peroni intus. Aber ich glaube es wirklich. Zumindest bin ich mir
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