Madonna, ein Blonder!
zuvor, aber unsere Stimmung ist eher neonlichtmäßig abgekühlt. Wir fahren durch den auch weit nach Mitternacht noch absurden Verkehr am Lungotevere. Elisa hält sich nicht mehr an meiner Jacke, sondern an der Seite des Mopeds fest.
» Buona notte«, sage ich im Flur der Wohnung.
» Notte«, gibt Elisa scharf zurück.
Als ich im Bett liege, mich über mich selbst ärgere und auf die Atemzüge von Mirco lausche, piepst mein Handy. Eine SMS . Von Elisa! Ich muss den Text ein paarmal lesen, damit ich ihn verstehe . » Communque, tvb. E.« steht da. Communque ist klar, heißt » trotzdem«. »E« steht für Elisa. Aber was bedeutet »tvb«?
Ich schicke eine SMS : » tvb…??«
Es piepst nochmals. » tvb = ti voglio bene.« Aha, eine Abkürzung. So als würde man für » Ich mag dich gerne« der Kürze halber » Imdg« schreiben.
» Ich mag dich auch gern«, antworte ich.
Dann klingelt plötzlich mein Handy, Elisa ruft an. Was soll das denn? Sie weiß doch, dass Mirco schläft!
Ich gehe schnell ran. » Pronto? Elisa?«
Ich höre Elisa seufzen. » Martin, stupido biondo, warum gehst du ran?«
Ich flüstere, so gut es geht: » Eeeh, weil du mich angerufen hast!«
Elisa lacht. » Das war doch ein squillo! «
Ich denke an Massimo, der mir das Moped verkauft hat. Der war auch so sauer, weil ich sein Anklingeln nicht verstanden habe.
» Ach so, okay. Entschuldigung«, sage ich schnell.
» Gute Nacht!« Das Letzte, was ich noch höre, ist ein niedliches Kichern von Elisa.
Wir legen auf. Dann piepst es noch einmal bei mir. » 6 carino.« Erst verstehe ich nicht, dann kapiere ich schließlich, dass 6 hier sei bedeuten soll, » du bist«. Und carino heißt süß. Also hat mir Elisa gerade geschrieben: » Du bist süß.« Als Bestätigung, dass ich das umgekehrt ebenfalls so sehe, will ich einen squillo machen.
Beim fünften Klingeln geht Elisa ran.
» Martin?«
» Warum gehst du ran?«, schimpfe ich los: » Das war ein squillo! «
Elisa seufzt, dann lacht sie. »Madonna, biondo, einen squillo machen heißt, einmal klingeln zu lassen, nicht fünfmal!«
Noch nachdem sie » Buona notte!« gesagt hat, höre ich vor dem Auflegen ihr bezauberndes leises Lachen.
Am nächsten Tag werde ich von einem beleidigten » Miau!« geweckt. Kater Mao springt von meinem Handy. Er hat darauf geschlafen und ist offenbar vom Vibrieren und Klingeln aufgewacht.
» Pronto?«, röchle ich müde.
Aus dem Hörer kommt lautes Geklapper von Geschirr, aber keine Antwort.
» Pronto?«
Wieder Geklapper, dann eine Stimme. » O Martin, hier ist Dino!«
Dino?
» Die Bauarbeiter aus deiner Wohnung sind gerade bei mir. Sie sind fertig mit den Reparaturen und wollten dich anrufen. Du sollst gleich kommen und es dir ansehen, sonst sind sie weg.«
» Okay«, seufze ich, » bin unterwegs!« Warum habe ich nur mein Handy nicht ausgestellt. Jetzt kann ich schlecht Nein sagen.
Leise packe ich meine wenigen Sachen, die ich für die paar Nächte nach San Lorenzo mitgenommen habe. In der WG rührt sich nichts. Ich hinterlege mit tanti saluti, vielen Grüßen, noch einen Dankesbrief und verlasse leise die Wohnung. Mit mehr geschlossenen als offenen Augen düse ich durch die Stadt, den Vatikan-Hügel hinauf und stelle mein Moped vor meinem Haus in eine viel zu kleine Parklücke.
» Che dici?« Ja, was sage ich? Der Bauarbeiter und ich stehen in meiner Wohnung vor der Wand hinter dem Esstisch, wo sich vor ein paar Tagen noch die kleine Durchreiche nach nebenan befand.
Jetzt ist das Loch wieder zu und die Wand gestrichen. Es sieht wieder aus wie früher. Eigentlich habe ich diesem Malheur viel zu verdanken. Die aufregenden Tage in San Lorenzo, das Abenteuer mit Frau Schulze, den ersten Beinahekuss mit Elisa.
Der Arbeiter ist sichtlich stolz und erklärt mir, wie er die Wand repariert hat. Ich reime mir zusammen, dass gesso » Gips« heißen muss und cemento » Zement«. » Non si vede più niente«, sagt er, nichts mehr da.
Ich tue ihm den Gefallen, lege Zeigefingerspitze und Daumen aneinander und ziehe eine imaginäre Linie durch den Raum, um damit perfetto auszudrücken, wie Dino es mir gezeigt hat, doch die Geste gelingt mir anscheinend nicht wirklich.
Der Bauarbeiter sieht mich irritiert an.
Also wiederhole ich das Ganze und unterstütze die Geste mit einem überaus deutlich ausgesprochenen: » Perfetto.«
Er freut sich. » Allora a posto«, dann sei ja alles in bester Ordnung, sagt er, gibt mir die Hand und schließt mit einem offiziösen
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