Madonna, ein Blonder!
» Arrivederci, Dottore!« die Tür.
Ich bin allein.
Etwas bedrückt stehe ich in meiner Wohnung und fühle mich plötzlich einsam. Keine kiffende Sarah, kein schnarchender Mirco, kein miauender Mao und vor allem keine Elisa im Nebenzimmer. Schon allein das Wissen, dass sie nebenan schlief, war aufregend. Hier sind jenseits der Wände nur die Lovellos mit ihrem offensichtlich schwulen Hund Bacione, die Zahnarztpraxis und oben der kleine Francesco, der schon wieder mit Spitsch spielt. Ziuziuzizizizuuu.
Ich seufze, aber das ändert auch nichts.
Und auch mein Viertel kommt mir jetzt plötzlich langweilig vor: Keine kommunistischen Graffiti, keine Kifferläden, stattdessen das sauteure Schreibwarengeschäft und all die Schönheits- und Friseursalons.
Soll ich einfach wieder in die WG ziehen? Das geht nicht, fällt mir ein, denn Marco soll heute zurückkommen. Das Abenteuer San Lorenzo ist definitiv beendet.
Es piepst, eine SMS von Elisa. » Warum bist du denn so schnell weg?« Sie klingt pikiert.
Besser, ich rufe sie schnell an.
Elisa wirkt ernstlich beleidigt.
Ich erkläre ihr, dass meine Wohnung fertig geworden sei und ich zur Übergabe gemusst hätte. Außerdem, füge ich hinzu, würde doch Marco heute heimkommen.
Sie geht nicht auf meine Einwände ein. » Und dein Brief war auch nicht gerade herzlich. Hat es dir nicht gefallen bei uns?«
Elisa imitiert die harte deutsche Aussprache: » Tanttttti saluttttti, Marttttttttin.«
» Ich habe immerhin grazie geschrieben«, verteidige ich mich.
» Boh! In Italien schreibt man bacio oder bacione oder abbracci für Ich umarme dich, aber tanti saluti schreibt man nicht mal ans Finanzamt.«
Das Gespräch endet komisch. Gestern war ich noch carino und Elisa schrieb tvb und jetzt klingt sie völlig genervt.
» Wann… sehen wir uns?«, frage ich vorsichtig.
» Boh!«, macht Elisa und sagt, sie wisse es nicht.
Tempo di merda Rom–München und schnell wieder zurück
Es ist Anfang Juli, als ich am Wochenende in Richtung Norden fahre. Nach dem letzten Telefonat mit Elisa haben wir uns nicht mehr gehört und gesehen. Ein Ortswechsel, die Heimat, das würde mir guttun, dachte ich mir und habe, in München angekommen, auch Uli Bescheid gesagt, dass ich in der Stadt sei.
Jetzt steht sie mir gegenüber, in einer neuen Kneipe.
» Ja, servus!« Uli lacht fröhlich: » Total nett hier, oder?«
Ich nicke. Es ist wirklich nett. Was soll man auch anderes machen? Draußen regnet es ja schon wieder: Kein sich aus der Hitze entladender Gewitterschauer, einfach kalter Regen, als wäre es März.
» Komm ins ›Italia 1990‹«, hatte mir Uli geschrieben, » neue Bar schräg gegenüber vom ›Mezzogiorno‹. Haben heute Eröffnung.« Ich bin extra einen Umweg gegangen, um nicht am » Mezzogiorno« vorbeizukommen. Es wäre peinlich, würde mich Amadeo vorbeilaufen und in einer anderen Bar verschwinden sehen. Außerdem will ich nicht, dass er denkt, ich sei, weil in Rom als Blonder diskriminiert, in die Heimat geflohen.
Also stehe ich im » Italia 1990« und nuckle an einem Getränk, das den anstrengenden Namen » Rom, 8.7.1990« trägt und nach dem Endspiel der Fußball- WM in Italien benannt ist. Das Glas wurde mir am Eingang ins » Italia 1990« in die Hand gedrückt: Müde Schlieren von Holunderblütensirup schwimmen im Prosecco.
» Das machen wir, weil der Holunderblütensirup bio ist«, erklärt der Barkeeper, » soll einfach ein nachhaltiger Aperitif sein.«
Ich denke an Dino und an das » Papagallo« und frage mich, was passieren würde, wenn ich dort einen Prosecco mit Holundersirup verlange. Er hätte wohl den gleichen Blick wie neulich, als ich ihm mein Fahrrad zeigte, und würde mich wahrscheinlich rausschmeißen: » Das ist eine Bar. Hustensaft kannst du im Krankenhaus in den Prosecco schütten.«
Neulich habe ich mal überlegt, dass es lustig wäre, Dino mit nach München zu nehmen, und ihn gefragt, ob er Lust hätte.
» Eeeh, aber es ist kalt in Deutschland!«
» Dino, auch in Deutschland ist derzeit Sommer.«
» Nicht so wie hier oder?« Darauf wusste ich nichts zu erwidern und Dino machte: » Ecco!« Hab ich’s doch gewusst!
» Und wie isses?« Uli reißt mich aus meinen Gedanken und nimmt sich den dritten » Rom, 8.7.1990« vom Tablett.
Ich erzähle von den letzten zwei Wochen, vom Loch in meiner Wohnung, den Tagen in San Lorenzo und dem Beinahekuss mit Elisa.
» Bist ganz schön verliebt, oder?« Zum Glück ist mein Verhältnis zu Uli geregelt. Wir
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