Madonna, ein Blonder!
Gredina. Das System »Name eines Heiligen plus geografischer Lage«, hat vermutlich italienweit Zehntausenden Dörfern zu einem Namen verholfen
Auf einem kleinen Parkplatz zu Füßen eines Waldes macht ein Pick-up mit Lichthupe auf sich aufmerksam, hinter der Scheibe sehe ich– Dino! Na also!
» Eccolo!«, sagt Enrico. Da ist er!
Dino und ich winken uns freudig zu.
» Dino hat seit Jahren eine Trüffelsuchlizenz für die Gegend«, erklärt Enrico. » Er ist am Morgen in aller Frühe in Rom losgefahren.«
Ich nicke. » Ja. Gestern musste er ja leider arbeiten.« Ich kann eigentlich stolz darauf sein, den Abend auch ohne Dino überlebt zu haben.
Dino fährt uns jetzt voraus und biegt, nachdem er und wir uns vergewissert haben, dass uns niemand folgt, in einen kleinen Waldweg ein. Durch die Heckscheibe seines Wagens sieht man, dass neben ihm ein Hund hechelt. Wo kommt der denn her? Als ich bei Dino in der Wohnung war, habe ich keinen Hund gesehen.
» Das ist Lara«, sagt Enrico.
Fünf Minuten später, nachdem wir die Autos abgestellt haben, hört Lara nicht auf, an mir herumzuspringen.
Dino lacht: » Lara kennt dich bloß nicht.« Dino ist gut: Gerade deshalb müsste der Hund aus meiner Sicht ein bisschen zurückhaltender sein.
Endlich lässt diese Lara von mir ab. Ich behalte sie im Auge, während Dino erzählt, Lara sei zwar sein Hund, lebe aber in Angolorotondo beim Nachbarn seines Elternhauses. » In Rom ist die Luft viel zu schlecht für Laras Nase.«
Und das wäre nicht gut, denn Laras Nase ist für den heutigen Tag von größter Bedeutung. Sie soll die Trüffel finden, die heute Abend mit selbst gemachten Tagliatelle verspeist werden sollen. Die Frauen machen die Nudeln, die Männer jagen die Trüffel. Mir kommen archaische Assoziationen, und ich warte bloß darauf, dass meine beiden Sammler und Jäger erzählen, die daheimgebliebenen Frauen würden gerade die Wohnhöhle mit dem Blut eines gefangenen Eichhörnchens ausmalen.
Der Wald riecht feucht, als wir losziehen. Vorne Dino, in der Mitte Enrico, hinten ich, so stapfen wir los. Wir wollen zu einem Trüffelfundort, den nur Dino und die Hündin kennen und der ganz schön weit weg ist. Gut für die Geheimhaltung, werde ich belehrt.
Den langen Marsch bis zum Ziel vertreiben wir uns mit dem italienischen Gesprächsthema schlechthin: Wir reden übers Essen. Wenn man in Rom zufälligerweise ein Gespräch belauscht, ob Wartende an der Bushaltestelle, ob vorübergehende Passanten– immer geht es um Menüfolgen, Restaurantkritiken und Beilagenempfehlungen. Man kann sogar Jogger treffen, die sich atemlos im Rhythmus des Laufens über » Bu-ca-tini all’ Ama-tri-ciana« oder » Spa-ghett-i Car-bo-na-ra« unterhalten. Oder man kommt an einer Parkbank vorbei, auf der zwei Männer sitzen und sich über die Zubereitung einer Dorade austauschen.
Essen ist zugegebenermaßen ein sehr schönes Gesprächsthema, es entspannt. Man sollte häufiger darüber reden. Und es vertreibt schnell die Zeit.
Viel schneller, als ich es erwartet hätte, nähern wir uns unserem Zielgebiet. Trüffelhündin Lara hat die Nase schon ganz tief über den Boden gesenkt. Nach unseren Anfangsproblemen finde ich sie mittlerweile ganz amüsant, jedenfalls netter als den Bussis verteilenden Hund der Lovellos. Lara gehört zur Lagotto-Romagnolo-Rasse, die besonders gut für die Trüffelsuche geeignet ist. Wenn mir jemand vor drei Monaten gesagt hätte, ich würde demnächst mit einem italienischen Schwiegervater in spe diese seltsamen Wurzeln, äh, Pilze, suchen, ich hätte ihn für verrückt erklärt.
» Eccoci!«, sagt Dino und zeigt auf einen weiten Hang, der sich rechts von einer Senke ausbreitet. Sein bevorzugtes Gebiet.
Jetzt wird’s spannend.
Dino nimmt Lara an die Leine, und sie zieht uns prompt zu dem von Laub bedeckten Hang.
Wir drei Männer schweigen.
Ich finde Gefallen daran. Es ist spannend wie eine Schnitzeljagd, nur dass man sich auf einen Hund verlassen muss.
» Achte auf Lara«, sagt Dino zu mir, » sie sucht schon.«
Wirklich: Der Hund läuft hektisch über den Boden, schnüffelt hier, schnüffelt da, zieht an der Leine, schnüffelt wieder.
» Brava, Lara«, ruft Dino, oder » Bene, Lara«, oder einfach nur » Lara, Lara«.
Es ist alles etwas verrückt.
Die Hündin zieht uns in eine andere Richtung– ein System kann ich nicht erkennen.
» Was macht sie denn?«, frage ich eine Spur zu ungeduldig.
» Wenn du glaubst, dass du es besser kannst, dann such doch
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