Madonna
Zeigefingers fuhr sie über seine Schulter und an seinem Oberarmmuskel nach unten bis zum Ellenbogen. »Was für Dinge?« Ihre Stimme war weich und samtig.
Arnulf empfand einen wohligen Schauer. »Man wirft ihm vor, vergifteten Wein ausgeschenkt zu haben, aber er sagt, er sei unschuldig.«
»Und du sollst nachweisen, dass das stimmt?«
Arnulf zuckte die Achseln. Über die Schulter hinweg sah er Mina an, die nun die Decke ein Stück nach unten rutschen ließ und so den Ansatz ihrer kleinen Brüste enthüllte.
Das Blut in Arnulfs Adern wanderte weiter nach unten. Er ließ das Laken los.
»Antworte!«, lachte Mina auf, griff mit einer blitzschnellen Bewegung in seine langen, schwarzen Haare und zerrte ihn daran nach hinten auf den Rücken. Als sie sich über ihn beugte, konnte er sich in ihren Pupillen spiegeln. Sachte strich ihr Atem über sein Gesicht, so nah war sie ihm.
»Ja«, antwortete er. »Ich soll herausfinden, was den Männern zugestoßen ist, die nach einem Besuch hier …« Er konnte den Satz nicht beenden, denn Mina verschloss ihm mit einem Kuss den Mund.
Als sie sich wieder von ihm löste, war sie ein wenig außer Atem.
Arnulf griff nach der Decke, mit der sie sich noch immer umhüllte, doch geschickt wich sie ihm aus. »Erst die Arbeit!«, befahl sie. »Was hast du vor, um Niklas’ Bitte nachzukommen?«
»Ehrlich?« Arnulf setzte nach, und jetzt schaffte er es, die Decke zu greifen. Er hielt inne. »Ich weiß es nicht. Die beiden Opfer sind ziemlich hochgestellte Leute. Ich suche noch nach einem Weg, an den einen von ihnen heranzukommen.«
»Dann hat einer das Gift überlebt?«
»Ein Mann namens Georg Öllinger. Er ist offenbar Apotheker.« Mit diesen Worten zerrte Arnulf ruckartig an der Decke.
Mina ließ los, und sie wartete, bis Arnulfs Blicke sie von oben bis unten abgetastet hatten, bevor sie meinte: »Warum wendest du dich nicht an diesen Richard Sterner?«
Er blickte hoch in ihre Augen. »Wie meinst du das?«
Sie hob die Hand und legte sie auf seine Brust. Er glaubte, den schnellen Schlag ihres Pulses zu spüren.
»Dieser Sterner ist Patrizier, oder nicht?« Sie hatte einen leicht wehmütigen Ausdruck im Gesicht, als sie seinen Namen jetzt zum zweiten Mal aussprach. Arnulf biss die Zähne zusammen.
»Stimmt«, meinte er.
»Dann kann er dir vielleicht Zugang zu diesem Öllinger verschaffen.« Während sie das sagte, schwang Mina ein Bein über Arnulfs Körper und kam rittlings auf ihm zu sitzen.
Er nickte anerkennend. Auf diese Idee war er noch gar nicht gekommen. Aber bevor er mehr als einen Gedanken an diesen Plan verschwenden konnte, beugte sich Mina über ihn und küsste ihn nun so heftig, dass er für eine Weile alles andere vergaß.
Schmerzen.
Das war das Erste, was Richard wahrnahm, als er erwachte.
Das Zweite war Wasser, das um seine Beine floss. Eisiges Wasser.
Er versuchte, den Kopf zu heben, aber es gelang ihm nicht. Sein Blick war verschwommen. Bewegten sich seine Beine? Taub fühltensie sich an, wie abgestorben in dem eisigen Wasser, das um seinen Unterleib spülte.
Er blinzelte, doch sein Blick klärte sich nicht.
Ein Bild blitzte vor seinem geistigen Auge auf, engstehende Häuser, eine Gasse. Blut. Er wollte sich in die Höhe stemmen. Seine Hände versanken in kaltem, zähem Schlamm, und als er sie belastete, grub sich ein brutaler Schmerz in seine Schulter. Kraftlos brach er wieder zusammen. Wo war er? Und, was noch wichtiger war: Wie war er hierhergekommen?
Er sog Luft durch die Nase, spürte, wie ihre Flügel sich blähten. Er roch Fäulnis. Winter. Es war kalt. Was noch? Er wusste es nicht.
Das Wasser. Lag er am Fluss? Offenbar.
Wie war er hierhergekommen? Er erinnerte sich daran, dass er einer Frau gegenübergestanden hatte. Eine Frau. Blut. Schrecklich viel Blut.
Wieder versuchte er, sich aufzustützen, und diesmal schonte er dabei die schmerzende Schulter. Er kam ein Stück hoch, so dass er an sich herabsehen konnte. Sein Körper war über und über mit Blut besudelt. Doch bevor er zu begreifen vermochte, was das zu bedeuten hatte, hatte er alle Kräfte verbraucht, die sein geschundener Körper aufbringen konnte. Ihm schwindelte.
Dann wurde es wieder schwarz um ihn.
Richards Haus in der Tuchgasse war eines der vornehmeren mit mehreren Stockwerken, geschnitzten Balken und verglasten Fenstern sogar im obersten Stockwerk ganz unter dem Dach.
Ein Fuhrwerk rumpelte vorbei, als Arnulf die Stufen zur Haustür erklomm und den Klingelzug betätigte. Der
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