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Madonna

Madonna

Titel: Madonna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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Fuhrknecht ließ die Peitsche auf den Rücken seiner Ochsen knallen. »Obacht!«, schrie er, und zwei Kinder sprangen eilig zur Seite. Eines von ihnen entkam nur um Haaresbreite dem Horn eines der mächtigen Tiere, als dieses unwillig mit dem Kopf schüttelte.
    Arnulf beobachtete, wie das Fuhrwerk um die nächste Ecke verschwand und dabei mit einem Rad ein Stück der Fassade mitnahm, dann wandte er sich der Haustür zu, die in diesem Moment geöffnet wurde.
    Thomas, Richards Diener, schaute ihn verblüfft an. »Herr … Nachtrabe!« Das zweite Wort klang verlegen. Arnulf hatte Thomas immerwieder erlaubt, ihn beim Vornamen anzusprechen, aber der Diener weigerte sich standhaft, dies zu tun. Da er jedoch den Zunamen Arnulfs nicht wusste und Arnulf sich im Gegenzug ebenso hartnäckig weigerte, ihn ihm zu nennen, blieb dem armen Thomas nichts anderes übrig, als Arnulf mit seiner Berufsbezeichnung anzusprechen.
    »Was führt Euch hierher?«, schob der Diener rasch nach, um seine Befangenheit zu überspielen.
    »Ich wollte eigentlich zu Richard«, erklärte Arnulf.
    Ein leichtes Weiten der Augen zeigte die Überraschung des Dieners an. »Herr Sterner? Ihr wisst doch, dass er sich in der Toskana aufhält.«
    Arnulf wich einen Schritt zurück. An Thomas’ Schulter vorbei warf er einen Blick ins Innere des Hauses. Keinerlei Gepäck stand auf dem Boden herum und erzählte von der kürzlichen Ankunft seines Besitzers. Auch von dem Reitmantel, den Richard gestern Abend in der Schenke getragen hatte, war keine Spur zu sehen.
    »Er …«
    »Seid Ihr krank?«, fragte Thomas besorgt und setzte nach, als Arnulf noch einen Schritt nach hinten wich. »Ihr wirkt … nun, verwirrt.«
    Arnulf wehrt ab. »Nein! Alles gut.« Er sah Thomas an. »Dein Herr ist also gestern Abend nicht hier aufgetaucht?«
    Thomas schüttelte den Kopf. Dann erst glitt ein Ausdruck von Verstehen über sein Gesicht und gleich darauf ehrliche Freude. »Ihr meint, er ist wieder in der Stadt?«
    Arnulf nickte. »Er kam gestern Abend an. Wir trafen uns in der ›Diele‹, und er wollte eigentlich anschließend nach Hause.« In seinem Kopf wirbelten die Gedanken umeinander. Warum war Richard niemals hier angekommen? War ihm etwas geschehen?
    Er rief sich Richards Gestalt vor Augen, die Art, wie er in der »Diele« aufgestanden war. Irgendwie, so schien es Arnulf jetzt, war es Richard nicht gutgegangen. Arnulf hatte dies als Erschöpfung abgetan, aber was, wenn er sich getäuscht hatte? Er dachte an die Vorwürfe, die man Niklas machte. Was, wenn sich auch Richard in der »Diele« mit irgendetwas vergiftet hatte?
    Auf Thomas’ Gesicht war die Freude einer tiefen Bestürzung gewichen. »Meint Ihr, ihm ist etwas zugestoßen? Die Straßen von Nürnberg sind eigentlich sicherer seit den Ereignissen vom vorletzten Jahr.Der Stadtrat hat die Anzahl der Büttel verdoppelt, und es gibt …« Er verstummte, als Arnulf ihm das Wort abschnitt.
    »Bist du sicher, dass er nicht in der Nacht unbemerkt nach Hause gekommen ist?«
    Thomas nickte. Dann schüttelte er den Kopf. »Ich gehe nachsehen«, sagte er. Er machte auf dem Absatz kehrt und verschwand im Inneren des Hauses. Die beiden Kinder, die eben nur knapp dem Fuhrwerk entkommen waren, spielten jetzt wieder auf der Straße, und eines von ihnen entdeckte Arnulf auf den Stufen der Treppe.
    Neugierig starrte es ihn an, beugte sich zu seinem Freund hinüber und tuschelte ihm etwas ins Ohr.
    Arnulf beschloss, dass es wohl besser wäre, nicht allzu lange vor Richards Tür herumzustehen. Die meisten Menschen konnten auf den ersten Blick sehen, dass er kein ehrenhafter Bürger war, und er wollte Richards Ruf nicht über Gebühr schaden. Also betrat er kurzerhand das Haus und schloss die Tür hinter sich.
    Thomas runzelte die Stirn, als er die Treppe wieder herabkam. »Keine Spur von Herrn Sterner«, meinte er. »Es hätte mich auch gewundert, wenn er nach Hause gekommen wäre, ohne dass ich …« Diesmal brach er ab, weil Arnulf bereits wieder draußen auf der Treppe stand, bevor er zu Ende gesprochen hatte. »Wo wollt Ihr hin?«
    Arnulf drehte sich noch einmal zu ihm um. »Ihn suchen.«
    Mit zwei langen Schritten überwand er die Stufen. Und dann war er auch schon halb die Tuchgasse hinunter.
    Fluchend lief er durch das Spittlertorviertel und grübelte, wo Richard sein mochte. Ein ums andere Mal hielt er Leute an und befragte sie, in der Hoffnung, jemand könnte ihn nach seinem Aufbruch aus der »Diele« noch gesehen haben. Zwei

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