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Madonna

Madonna

Titel: Madonna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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An den Schießständen der Eibenschützen, die zu dieser Jahreszeit nur selten benutzt wurden, ging es vorbei bis zu einer Gruppe von Weidenbäumen, die dicht am Flussufer standen. Von hier aus hatte man einen guten Blick über den nördlichen Flussarm, und Arnulf schaute auf die Fassaden der gegenüberliegenden Häuser. Allesamt waren sie so dicht ans Wasser gebaut, dass ihre Grundmauern von den Fluten umflossen wurden. Bei einem von ihnen, einem mehrgiebeligen Kaufmannshaus mit fünf Schornsteinen auf dem Dach, wurden gerade Waren in großen Säcken von einem Flusskahn auf den Dachboden gehievt. Das Geschrei der Männer, die die Winde bedienten, scholl bis zu Arnulf herüber, aber es vermochte das Dröhnen seines Herzschlags nicht zu übertönen.
    Bei einem Hain aus Weidenbäumen blieb der Hund zum zweiten Mal stehen und bellte. Jonas rief ihn, er kam gehorsam und setzte sich neben seinem Bein hin. »Ich glaube, Richard ist dahinten.«
    Arnulf holte tief Luft, dann ging er weiter, an dem Hain vorbei und entdeckte einen Pfad. Er führte in einem Bogen um die schlanken Baumstämme herum und auf eine kleine Landzunge zu, auf der der Boden feucht und matschig war. Dort, bäuchlings am Ufersaum und mit den Beinen im Wasser, die Arme seitlich neben dem Kopf ausgestreckt, lag ein Mann. Arnulf erkannte ihn sofort.
    »Scheiße!«
    Eine Baumwurzel hatte eine Art Stufe geschaffen, und offenbar war Richard über diese gestürzt und am Ufer liegengeblieben. Arnulf setzte seinen Fuß auf diese Stufe, um zum Wasser hinunterzugelangen. Mit einem Satz überwand er den leicht abschüssigen Hang dahinter und landete mit beiden Füßen in knöcheltiefem Wasser. Er packte Richard unter den Schultern, zog ihn aus dem Wasser. Dann rollte er ihn auf den Rücken und zog ihn gleichzeitig in die Arme. Furcht griff nach seinem Herzen, als er all das Blut sah, das Richards Brust, seine Hände und sogar sein Gesicht bedeckte. Er fürchtete, in tote Augen zu blicken, doch dann spülte Erleichterung wie eine Woge über ihn hinweg. Richards Augen waren geschlossen. Sein Brustkorb hob und senkte sich, schwach zwar nur, aber er war eindeutig am Leben.
    »Ist er es?« Jonas war hinter ihm erschienen – ohne seinen Hund. Neugierig schaute er in Richards Gesicht.
    Arnulf nickte und ließ Richard zurück auf den Boden sinken. »Er lebt.« Er kniete neben ihm auf dem Hang und untersuchte ihn sorgsam, während Jonas ihm dabei zusah. Der Junge kommentierte das viele Blut nicht, sondern stand einfach schweigend da.
    Richard hatte eine kleinere Wunde im Gesicht und eine größere an der linken Schulter, die nach einem Messerstich aussah. Durch sie schien er einiges an Blut verloren zu haben, aber Arnulf konnte nicht feststellen, wie viel. Wenn all das Blut, das er am Körper hatte, von ihm war, sah die Sache finster aus.
    »Richard!« Sachte schlug Arnulf dem Freund gegen die Wange. »Richard! Wach auf!«
    Doch Richard rührte sich nicht. Er war sehr blass, was den Anblick all des Blutes auf seiner Haut noch schrecklicher machte. Seine Wimpern wirkten zwischen all dem Weiß und Rot wie mit feinem Pinselstrich gemalt.
    »Was jetzt?«, fragte Jonas.
    Arnulf sah sich um. In einigen Schritten Entfernung lag Richards Schwert, ebenfalls mit Blut besudelt.
    »Scheiße, Scheiße, Scheiße«, murmelte Arnulf und ließ sich neben Richard auf die Erde sinken. »In was bist du da reingeraten?« Er rieb sich über das Gesicht und überlegte. Dann schaute er zu Jonas auf. »Du musst mir noch einen Gefallen tun!«
    »Klar.« Hinter Jonas war Rubius aufgetaucht. Er schnüffelte lautstark durch das Unterholz, kam jedoch nicht näher.
    »Kennst du das Fischerhaus an der Frauentormauer?«, fragte Arnulf.
    Jonas schüttelte den Kopf.
    Arnulf verspürte Ungeduld, aber er riss sich zusammen. »Wo die Frauentormauer ist, weißt du?«
    Jonas nickte.
    »Gut. Wenn du direkt davorstehst, wende dich nach rechts. Du kannst das Fischerhaus nicht verfehlen, es ist groß und hat geschnitzte Balken. Die Frau, die dort wohnt, heißt Katharina Jacob. Gib ihr Bescheid, dass Richard Sterner Hilfe braucht, und bitte sie, mit dir zu kommen.«
    Jonas war schon drauf und dran, sich abzuwenden und loszumarschieren, als ihm etwas einzufallen schien. »Warte!« Er nestelte anseinem Gürtel herum und knüpfte eine kleine Lederflasche ab. »Das ist Branntwein. Weckt seine Lebensgeister.« Mit einer raschen Bewegung warf er sie Arnulf zu.
    »Danke«, sagte der Nachtrabe. »Jetzt beeil dich!«
    Jonas

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