Madonna
jemandem …« Katharina verstummte. Wieder fiel ihr Richards blutverschmiertes Schwert ein. Hinter der halb offenen Kapellentür vermeinte sie einen Schatten zu sehen.
Im nächsten Moment zuckte sie unter einer federleichten Berührung zusammen. Silberschläger hatte den letzten Rest Distanz überwunden und seine Hand auf ihre Schulter gelegt.
Empört rutschte Katharina ein Stück von ihm fort. »Ihr vergesst Euch!«, zischte sie.
»Aber warum?« Seine Hand setzte nach.
Das Ende der Bank hinderte Katharina daran, noch weiter auszuweichen. Stocksteif blieb sie sitzen, als Silberschlägers Fingerspitzen sie im Genick berührten.
»Ihr seid Witwe, nicht wahr?«, fragte Silberschläger. »Wusstet Ihr, dass meine Frau vor drei Monaten ebenfalls starb?«
Katharina wusste es nicht. Wie auch? Sie hatte mit Silberschläger seit vielen Monaten nichts mehr zu tun gehabt, hatte in der Tat nicht einen einzigen Gedanken an ihn verschwendet.
Seine nächsten Worte zeigten ihr, dass das umgekehrt für ihn nichtzu gelten schien. »Seit ich Euch damals zum ersten Mal traf«, flüsterte er und näherte ihr sein Gesicht, »geht Ihr mir nicht mehr aus dem Kopf!«
Katharina lehnte sich von ihm fort. Sie hätte aufstehen können, um ihm auszuweichen, aber sie hatte das Gefühl, dass sie ihm diesen Triumph nicht gönnen durfte. Er schien es zu genießen, Macht über sie zu haben, das war seinen verzerrten Lippen und dem gierigen Ausdruck in seinen Augen anzusehen. Also straffte sie die Schultern, langte nach seinem Arm und schob ihn von sich fort. »Eure Gefühle ehren mich«, sagte sie mit fester Stimme. »Doch ich muss sie …«
Wenn sie geglaubt hatte, ihn mit einer harmlosen Geste von weiteren Annäherungsversuchen abzuhalten, so sah sie sich gründlich getäuscht. Unbeeindruckt näherte sich seine Hand ihr wieder, doch diesmal berührte er sie nicht im Genick, sondern er beugte sich vor und legte ihr den halben Arm schwer auf den Oberschenkel.
Nun sprang Katharina doch auf. »Fasst mich nicht an!«, fauchte sie.
Da veränderte sich Silberschlägers Gesichtsausdruck schlagartig. »Angesichts der Tatsache, dass Ihr des Mordes verdächtig seid«, meinte er kalt, »solltet Ihr Euch lieber überlegen, ob Ihr Euch nicht ein wenig …«
Bevor er den Satz beenden konnte, schwang die Kapellentür auf.
Gleichzeitig mit Silberschlägers fuhr Katharinas Kopf herum.
In der Tür stand Richard. Hoch hatte er sich aufgerichtet und den Unterarm gegen den Türstock gelegt. Katharina wusste, dass er Halt brauchte, seine Schwäche war an dem blassen, versteinerten Gesicht deutlich abzulesen. Er hatte die saubere Hose und das saubere Leinenhemd angezogen, die Donatus ihm hingelegt hatte, und so war von seinem Schulterverband nichts zu sehen.
Mit offenem Mund starrte Silberschläger ihn an. »Ihr …« Er musste schlucken. »… seid zurück!«, vollendete er den Satz.
Richard nickte nur.
»Was …?« Silberschläger schien sich bewusst zu werden, dass er stammelte. Er verstummte abrupt. Er räusperte sich, dann stand er auf. »Nun. Ich denke, wir sind hier erst einmal fertig. Sollte ich noch Fragen an Euch haben, Frau Jacob, so werde ich mich wieder mit Euch in Verbindung setzen.« Und mit erhobenem Haupt stolzierte er an Richard vorbei durch die Tür.
Der machte ihm Platz, jedoch nur so viel, dass der Bürgermeister sich gerade an ihm vorbeizwängen konnte. Die beiden Männer maßen sich mit einem langen Blick, der Katharinas Herz erzittern ließ. Im nächsten Moment ging die Haustür.
Silberschläger war verschwunden.
Richard ließ den Kopf sinken und presste die Hand gegen den Türrahmen. »Was wollte er von dir?«, fragte er. Er klang erschöpft.
Rasch lief Katharina zu ihm. »Du sollst nicht aufstehen!«, rügte sie ihn. »Wie blass du bist!«
Unter seinem eigenen Arm hindurch sah er ihr ins Gesicht. »Was wollte er?«, wiederholte er.
Katharina dachte mit Schaudern an die Berührung des Bürgermeisters, an das Gewicht seiner schweren Hand auf ihrem Schenkel. Ein scharfer Schmerz fuhr in ihren Unterleib, und sie musste sich zusammenreißen, um Richard nichts davon merken zu lassen. So ruhig, wie sie es vermochte, zuckte sie die Achseln. »Nichts.«
Katharina hatte ihn genötigt, sich in der Stube wieder auf das Sofa zu setzen, dann hatte sie den Raum verlassen. Auch wenn Richard ahnte, dass sie sich sammeln musste und dass sie dabei seine Gegenwart nicht ertragen konnte, war er dankbar dafür, eine Weile allein zu sein. Auch er
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