Madonna
eng. »Natürlich nicht.« Allein die Vorstellung, das zu tun, ging über seine Kräfte.
Katharina öffnete die Haustür. »Was hast du vor?«, wiederholte sie ihre Frage von eben.
»Wenn Silberschläger erfährt, dass ich dort war, als diese Frau umgebracht wurde, besteht die Gefahr, dass er dich der Komplizenschaft beschuldigt.«
»Du hast Gertrud nicht umgebracht.« Sie sagte es mit voller Überzeugung. Ihr Blick lag unverwandt und ruhig auf ihm, und er liebte sie dafür umso mehr.
»Nein«, meinte er. Ist es so?, wisperte eine leise Stimme in seinem Hinterkopf. Er brachte sie zum Schweigen. Er fürchtete seine inneren Dämonen schon lange nicht mehr! Jedenfalls schaffte er es ab und an, sich das einzureden. »Ich habe sie nicht umgebracht. Aber du kennst Silberschläger. Wenn er nur den leisesten Verdacht hat, wird er allesdaransetzen, mich in die Finger zu bekommen. Seit ich ihn damals davon abgehalten habe, den Juden die zweite Engelmordserie in die Schuhe zu schieben, wartet er nur auf eine Gelegenheit, mich zum Schweigen zu bringen.« Er griff nach ihrer Hand. Wie gern hätte er sie in die Arme gezogen und festgehalten! »Und du weißt, dass ihm jedes Mittel recht ist, um seine Ziele zu erreichen.« Er musste Luft holen, weil die Vorstellung, Katharina könne ins Lochgefängnis geworfen werden, ihm unerträglich war.
»Du hast meine Frage noch nicht beantwortet«, beschwerte sich Katharina. »Was hast du jetzt vor?«
»Ich werde sehen, dass ich Arnulf finde, und mit ihm gemeinsam versuchen, den wahren Mörder ausfindig zu machen.«
»Und dann kommst du zurück. Versprich mir das!«
Er nickte. Rasch sah er sich über beide Schultern hinweg um, ob sie jemand beobachtete. Dann nahm er Katharinas Gesicht zwischen beide Hände. Sanft küsste er sie auf den Mund. »Ich verspreche es!«
Sie löste sich aus seinem Griff, trat einen Schritt zurück.
Richards Muskeln waren verkrampft, als er die Stufen hinunterschritt. Er bewegte die unverletzte Schulter im Kreis, aber es nützte nichts. Die Spannung in seinem Körper ließ sich dadurch nicht vertreiben.
Mitten in der Gasse blieb er stehen, und diesmal war es Kramers Stimme, die in seinem Hinterkopf wisperte.
Glaubt Ihr an Dämonen?
Die Sonne stand bereits tief über den Dächern der Stadt. Eine Gruppe Kinder rannte an ihm vorbei. Allesamt hatten sie lange Stecken in der Hand, mit deren Hilfe sie eiserne Reifen von Fässern vor sich hertrieben. Richard musste einem der Reifen ausweichen, um ihn nicht zu Fall zu bringen. Das Kind, dem er gehörte, ein kleines Mädchen von vielleicht sechs Jahren, warf ihm im Vorbeilaufen ein dankbares Lächeln zu, dann lief es weiter, den anderen hinterher.
Richard sah ihnen nach, bis sie um die nächste Hausecke verschwunden waren. Ihr Lachen und Schreien hallten noch eine Weile zwischen den Fassaden wider.
Als es verklungen war, blickte er zurück.
Katharina hatte die Haustür geschlossen.Er traf Niklas in seinem Hof an, wo er damit beschäftigt war, Brennholz für den Kamin in der Schankstube zu hacken. Der Schweiß lief dem Wirt in Strömen über das feiste Gesicht, aber darüber hinaus wirkte der Mann nicht besonders angestrengt. Seine Miene verzog sich missmutig, als Richard ihn auf die Vergiftungserscheinungen ansprach, unter denen er gelitten hatte.
»Ich habe damit nichts zu tun!«, behauptete er. »Mein Wein ist einwandfrei!« Er musterte Richard von Kopf bis Fuß, und der wurde sich des seltsamen Anblicks bewusst, den er bieten musste, so ohne Mantel und Hut, dafür in schlichter Kleidung, die ihm ein wenig zu groß um den Leib schlackerte. Die Wunde an seiner Wange und das Schwert, das er aus Katharinas Hinterhof geholt und notdürftig gesäubert hatte, mochten ein Weiteres dazu beitragen, dass er im Moment eher wie ein Strauchdieb denn wie ein Nürnberger Patrizier wirkte.
Niklas jedoch schien das nichts auszumachen. Er war es gewohnt, seltsam zwielichtige Gestalten in seinem Haus zu beherbergen, und er stellte selten Fragen. »Mein Bier übrigens auch«, fügte er nach einer längeren Pause hinzu, und Richard musste sich erst besinnen, um zu verstehen, was er meinte.
Dann nickte er. »Das Bier, das ich getrunken habe«, setzte er hinzu.
Niklas nickte.
Richard überlegte. »Arnulf hat ebenfalls von dem Bier getrunken.«
»Und eine Menge andere Leute von dem Wein, den Öllinger und Rotgerber bestellten!« Niklas wandte sich wieder seinem Holzklotz zu. Er legte einen neuen Scheit darauf und spaltete ihn
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