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Madonna

Madonna

Titel: Madonna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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den Kopf. Er wirkte, als würde er im nächsten Moment zu dem Schwert an seiner Seite greifen. »Natürlich!« Auch er klang heiser.
    Arnulf langte nach dem Samtbeutel und umklammerte ihn so fest, dass die feinen Knöchelchen daran unter seinen Finger splitterten. »Es muss nicht sein, dass Katharina verhext wurde, die Morde zu begehen.«
    Ganz langsam hob Richard den Blick, und ihm war anzusehen, dass es dauerte, bis er die Tragweite von Arnulfs Worten begriff. Seine Augen wurden groß und sehr dunkel. »Das ist jetzt nicht dein Ernst?«, hauchte er. »Du glaubst, dass Katharina durch Zauberei Männer dazu bringt, für sie …« Seine Stimme kippte weg. Er stützte die Arme auf dem Tisch ab und drückte sich in die Höhe. Mit einer zornigen Bewegung ließ er beide Hände auf die Platte krachen. »Du Arschloch!«
    Und damit wandte er sich ab, stiefelte quer durch die Wirtsstube und war im nächsten Moment verschwunden.
    »Du liebe Güte!«, murmelte Sibilla.
    Arnulf strich sich mit beiden Händen die Haare aus dem Gesicht und raffte sie im Nacken zusammen.
    »Moment mal«, drang Niklas’ Stimme in sein Bewusstsein, und jetzt erst wurde Arnulf gewahr, dass der Wirt die ganze Zeit hinter ihm gestanden und jedes ihrer Worte mit angehört hatte. »Du willst sagen, dass es nicht mein Wein war, der vergiftet wurde, sondern dass jemand meine Gäste verhext?« Er lachte auf. Es klang unsicher und klirrend wie Glas. Rings herum wurden die Gäste auf ihn aufmerksam, sodass er sich über Arnulf beugte und ihm ins Ohr zischte: »Du bist mir ja eine großartige Hilfe, mein Freund!«
    Als Gernot Silberschläger die winzige Zelle von Heinrich Kramer verließ, war sein Zorn auf Katharina verraucht und hatte einer Art Jagdfieber Platz gemacht. Auf dem Weg zum Stadtrichter aalte er sich darin und genoss das prickelnde Gefühl, das durch seine Adern rauschte. Der Stadtrichter, ein Mann namens Isidor Flechner, war erst seit ein paar Monaten im Amt. Er galt als unangenehm korrekter Kerl, doch genau das kam Silberschläger jetzt zugute. Obwohl es längst dunkel war, war er sich sicher, dass er den Mann noch in seinem Kontor im Rathaus antreffen würde. Er warf einen Blick auf eine einzelne Krähe, die auf dem Dach der Heilig-Geist-Kapelle landete. Aus ihren schwarzen Augen starrte sie auf ihn herab, als wollte sie sagen: Was wartest du noch? Mach, dass du loskommst!
    Flechners Kontor unterschied sich kaum von Silberschlägers eigenem Domizil – natürlich abgesehen von den griechischen Wandmalereien.Wo sich bei Silberschläger die Athene mitten in ihrer Götterschar rekelte, gab es bei Flechner nichts weiter als eine große weiße Wand.
    Es hätte Silberschläger auch gewundert, wenn es anders gewesen wäre.
    Zu seinem Verdruss war Flechner nicht da, als einer der Ratsschreiber Silberschläger in dessen Kontor führte und ihn bat, auf einem der beiden an der Wand stehenden Stühle Platz zu nehmen und auf ihn zu warten. Als Flechner nach einer guten halben Stunde noch immer nicht kam, beschloss Silberschläger, dass er die Zeit besser nutzen konnte. Er sagte dem Schreiber Bescheid, dass er in sein eigenes Kontor gehen und einige Berichte verfertigen werde, und bat den Mann, ihn zu holen, sobald Flechner sich wieder blicken ließ.
    Er musste lange warten. Die dritte Nachtstunde war längst angebrochen, als der Schreiber endlich an Silberschlägers Tür klopfte und verkündete, der Herr Stadtrichter erwarte ihn jetzt.
    »Danke!« Mit einem Lächeln, das vermutlich eher dem Zähnefletschen eines Hundes ähnelte, legte Silberschläger die Schreibfeder fort, streute Sand auf seinen Bericht, der länger geworden war als eines der Bücher der Bibel. Dann erhob er sich, zog seine Hose hoch und machte sich auf den Weg zu Flechner.
    Der Stadtrichter war ein kräftiger Mann mit schütterem Haar und Augenbrauen, die aus wenigen kreuz und quer abstehenden Borsten bestanden. Ein einziger Blick in seine grauen Augen verriet Silberschläger, dass er klug vorgehen musste. Flechner schien schlecht gelaunt zu sein.
    »Setzt Euch doch«, grummelte der Stadtrichter und schob seinen eigenen Stuhl ein wenig zurück, so dass er die Arme vor der Brust verschränken konnte.
    Silberschläger ließ sich vorsichtig auf der Kante jenes Stuhles nieder, auf der er sich vorhin schon einmal den Hintern platt gesessen hatte. Er rief das Lächeln auf sein Gesicht zurück, das er eben dem Schreiber geschenkt hatte. Diesmal fühlte es sich weitaus weniger verkrampft an.

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