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Madonna

Madonna

Titel: Madonna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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kleine blutrote Funken sprühen. Und an allem war nur diese Katharina schuld!
    Er seufzte. Er würde ihr zeigen, was sie davon hatte, ihn von sich zu stoßen und ihn mit diesem Ekel in den Augen anzusehen!
    Er leckte sich über die Unterlippe. Oh, er würde dafür sorgen, dass sich in ihrem Blick bei ihrem nächsten Treffen kein Ekel zeigte. Sondern echte Angst.
    Während er sich noch ausmalte, was er mit Katharina anstellen würde, trat aus dem Nachbarhaus zur Rechten eine ältere Frau mit einer Fackel in der Hand und einer ausladenden weißen Flügelhaube auf dem Kopf. Auf dem Hausstein blieb sie stehen, warf einen Blick in den schmalen Ausschnitt des Himmels, in dem nur wenige Sterne zu sehen waren. Dann wandte sie sich der Fackel neben ihrer Tür zu, die nur noch schwach und mit einem matten Flackern brannte. Sie zündete die neue an der alten Flamme an, nahm die fast erloschene Fackel aus dem Halter und ersetzte sie durch die andere. Als sie sich umwandte, um wieder im Haus zu verschwinden, sprach Silberschläger sie an.
    Wie er es auch drehte und wendete: Er war verdammt.
    Für ihn gab es keine Hoffnung mehr.
    Tobias zog die Nase hoch und wischte sich mit dem Ärmel die Tränen vom Gesicht. Wie lange stand er jetzt schon hier am Fluss? Es mussten Stunden sein. Nachdem er am Morgen aus dem Haus geflohen war, war er lange ziellos durch die Gassen der Stadt gelaufen. Inzwischen war es dunkel geworden und der Mond längst aufgegangen. Das Henkershaus lag ganz in der Nähe. Tobias konnte die Weide sehen, die auf dem kleinen Landzipfel in der Flussmitte wuchs und ihre langen Zweige ins Wasser hängen ließ.
    Vor ein paar Jahren war einmal ein Glockengießer in das Dorf gekommen, in dem er mit seinen Eltern gelebt hatte. Für das ganz in der Nähe liegende Kloster hatte er eine kleine Bronzeglocke gegossen, und er hatte Tobias erlaubt, ihm bei der Arbeit zuzusehen. Er hatte ihn sogar helfen lassen, die Tonform um den Wachskörper zu verschließen, die später als Gussform für die Bronze dienen sollte. Und er hatte ihm erlaubt, das Feuer zu schüren, mit dem er die Form gebrannt hatte. Durch die Hitze war das Wachs unten aus einem kleinen Loch in der Form herausgeflossen. Tobias erinnerte sich noch gut an den Geruch. Holzkohlefeuer, heißes Wachs und gebrannter Ton. Die Vorfreude der Menschen, die ihnen zuschauten, hatte ihn lächeln lassen.
    Jetzt und hier, am Ufer der Pegnitz und viele Jahre später, fühlte es sich an, als sei sein eigener Körper in solch eine tönerne Form gesteckt und diese dann rund um ihn herum verschlossen worden. Er brauchte all seine Kraft, um weiterzuatmen, und er konnte bereits die Hitze des Feuers spüren, das auf ihn wartete. Das Feuer, das all die furchtbaren Sünden aus seiner Seele brennen würde, wie es damals das Wachs aus der Form gebrannt hatte.
    Wenn er nur gewusst hätte, was er tun sollte! Er hatte gebetet, hatte Gott um ein Zeichen angefleht, was von ihm erwartet wurde, aber Gott hatte geschwiegen. Hatte er sich bereits mit Grausen von ihm abgewendet?
    Bei diesem Gedanken wurde Tobias auf einmal ganz ruhig. Eine große Kälte hüllte sein Denken ein. Es fühlte sich an, als sei er nur noch zur Hälfte auf dieser Welt anwesend, als habe seine andere Hälfte sich bereits der brennenden Taubheit des Fegefeuers ergeben.
    Er erhob sich. Es ging einfacher, als er geglaubt hatte, und das lag daran, dass sich in seinem Innersten jetzt etwas gefestigt hatte. Hatte er sein Schicksal akzeptiert? Er dachte daran, was Dr. Spindler gestern im Fischerhaus zu ihm gesagt hatte. Daran, dass Gott in seiner unendlichen Weisheit vorherbestimmte, welche Seelen des Himmelreichs teilhaftig wurden und welche nicht. Wenn der Herr es so wollte, dass seine nicht dazugehörte, wer war er schon, dies anzuzweifeln oder gar zu verurteilen?
    Gott hatte Gründe für alles, was er tat. Er würde auch seinen Grund haben, ihn, Tobias, der Verdammnis anheimfallen zu lassen.
    Tobias beugte sich vor. Das Wasser des Flusses floss schnell, aber dort, wo er saß, hatte sich eine kleine Ausbuchtung im Ufer gebildet, und darum war die Wasseroberfläche hier ruhiger. Im Licht des Mondes konnte Tobias sich in den zitternden Wellen spiegeln. Sein kahler Schädel leuchtete ihm entgegen und die Augen unter den struppigen, schwarzen Brauen.
    Eine starke Sehnsucht erfasste ihn. Er richtete den Blick auf die schnell fließende Flussmitte. Das Wasser dort war tief. Schwarz. Und kalt. Ein Schritt nur. Mehr war nicht nötig, dann

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