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Madonna

Madonna

Titel: Madonna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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Mörder plötzlich von ihm abgelassen und sein Werk nicht beendet? Diese Frage trieb ihn um, machte ihm vielmehr eine Heidenangst.
    Und Angst zu haben war etwas, das er überhaupt nicht leiden konnte.
    Die Wunde, die der Angreifer ihm am Hals beigebracht hatte, schmerzte höllisch. Die Heiserkeit reizte ihn dazu, sich wieder und wieder zu räuspern, obwohl nichts in seiner Kehle festsaß.
    »Ihr könnt Euch glücklich schätzen«, sagte Schedel. »Offenbar war der Herrgott der Meinung, dass Eure Zeit auf Erden noch nicht abgelaufen ist.«
    Silberschläger nickte grimmig. »Mit Glück hat das nichts zu tun«, krächzte er. »Ich habe dem Kerl recht ordentlich eingeheizt.« Der Medicus musste nicht wissen, dass der Schmerz des Messerstichs ihm sofort die Besinnung geraubt hatte.
    »Natürlich.« Schedel legte den Kopf von der einen auf die andere Seite. »Der Dolch hat Eure Kehle verfehlt und ist seitlich in Euren Halsmuskel eingedrungen. Ich weiß nicht, woher Eure Heiserkeit rührt, aber vielleicht ist es besser, wenn Ihr nicht so viel sprecht.«
    In diesem Moment wurde an die Haustür gepocht. Marianne, eines von Silberschlägers Dienstmädchen, ein dürres, schwarzhaariges Ding, ging, um zu öffnen, und gleich darauf polterten schwere Schritte ins Haus. Klaus Eberlein, Silberschlägers bester Stadtbüttel, betrat die Stube.
    »Der Täter wurde ins Lochgefängnis geworfen«, meldete er. Sein Blick fiel auf den kleinen Haufen blutgetränkter Tücher zu Schedels Füßen, und er schluckte.
    Silberschläger dankte ihm. »Marianne, gib dem Mann in der Küche etwas zu trinken und zu essen.«
    Marianne knickste und zog sich zurück. Eberlein folgte ihr.
    Schedel sah dem Mädchen nach. »Wo ist die kleine Rundliche mit den blonden Locken, die neulich noch in Euren Diensten stand?«, fragte er.
    Silberschläger grinste. »Greta. Sie ist mit einem wichtigen Auftrag unterwegs.«
    »Mitten in der Nacht?«
    Silberschläger wedelte durch die Luft, um deutlich zu machen, dass es den Medicus nichts anging, wann und wohin er seine Mädchen schickte. »Wie lange braucht Ihr noch?«, fragte er. Greta würde wahrscheinlich bald wiederkommen – und den Mann mitbringen, nach dem er sie geschickt hatte. Dann wollte er Schedel nicht mehr hierhaben, denn die Dinge, die er mit Heinrich Kramer zu besprechen hatte, waren nicht für fremde Ohren bestimmt.
    Der Medicus griff nach einem Verband und wog ihn in der Hand. »Nur noch das hier, dann seit Ihr mich schon wieder los. Ihr solltet Euch ausruhen, Ihr habt viel Blut verloren.« Er schüttelte den Kopf, als könne er noch immer nicht glauben, wie viel Glück sein Patient gehabt hatte.
    Silberschläger konnte ihm nur beipflichten. Tiefe Befriedigung gesellte sich zu dem Chaos in seinem Innersten und verdrängte Erleichterung und Verwirrung. Er, Gernot Silberschläger, hatte den Mörder gefasst, der seit Wochen die Stadt unsicher machte! Er griff sich an den Verband, den Schedel soeben mit einer Schleife versah. Dass er dabei verletzt worden war, würde sein Ansehen im Stadtrat – vor allem aber beim Weibsvolk – mächtig steigen lassen.
    Hartmann Schedel legte seine medizinischen Instrumente und die Wundsalbe, die er nicht verbraucht hatte, in eine Tasche und schloss sie. »Wie gesagt«, mahnte er ein zweites Mal. »Ruht Euch aus! Ich kann sonst nicht garantieren, dass die Wunde nicht doch noch Schwierigkeiten macht.«
    »Ja, ja«, murmelte Silberschläger, während er den Medicus zur Tür geleitete. Er bat ihn, ihm eine Rechnung zukommen zu lassen, dann schob er ihn kurzerhand auf die Gasse hinaus. »Ausruhen!«, schnaubte er. »Als ob ein Mann wie ich dafür Zeit hat!«
    Kurz darauf – Silberschläger hatte sich eben in einen Sessel gesetzt und für einen Moment die Augen geschlossen – kehrte Greta zurück. Er hätte ihren leichtfüßigen Schritt aus Tausenden herausgehört. Das Geräusch von Ledersandalen, das ihr folgte, ließ ihn lächeln.
    Greta klopfte sacht an den Rahmen der halb offenstehenden Tür.Dann streckte sie den Kopf in die Stube. »Der Priester, nach dem Ihr verlangt habt«, meldete sie. In ihren Augen stand noch immer die Verwunderung darüber, dass ihr Herr nach einem Priester schickte. Als er ihr den Auftrag gegeben hatte, Heinrich Kramer zu holen, hatte in ihrer Miene sogar kurz so etwas wie Hoffnung gestanden, Hoffnung darauf, dass er krepieren würde. Er hatte sich vorgenommen, sie diesen Ausdruck spätestens in der nächsten Nacht büßen zu lassen.
    »Danke«,

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