Madonna
sagte er jetzt mit einem liebenswürdigen Lächeln, das Greta kurz erstarren ließ. Sie kannte diesen Ausdruck auf seinem Gesicht sehr genau, und sie wusste, was ihr bevorstand. Sehr gut! So hatte er es gern.
Aber jetzt war nicht die Zeit für Vergnügungen. Heinrich Kramer betrat die Stube und blieb mitten im Raum stehen. Sein weißes Mönchsgewand leuchtete im Schein der Kerzen. Über der Schulter hatte er einen Beutel hängen, in dem sich irgendetwas Schweres, Viereckiges befand. Er wartete, bis Greta hinausgehuscht war und die Tür hinter sich geschlossen hatte. »Was gibt es?«, fragte er dann. »Eure Magd sagte mir, dass es um Katharina geht.«
Silberschläger legte eine Hand an den Verband an seinem Hals. »Setzt Euch!«, forderte er Kramer auf, und als der seiner Forderung nachgekommen war, sagte er: »Ich fürchte, unseren Plan, Katharina wegen dieser Morde ins Loch zu schaffen, müssen wir aufgeben.«
Kramer ließ den Beutel neben seinem Sessel zu Boden gleiten. »Wieso das?«
Mit knappen Worten schilderte Silberschläger ihm, was geschehen war, und noch immer ballte sich der Ärger darüber wie eine Faust hinter seinen Rippen. »Der Täter sitzt im Lochgefängnis, und da er auf frischer Tat ertappt wurde, gibt es keinen Grund mehr, Katharina dieser Sache zu beschuldigen.«
Kramer saugte die Wangen zwischen die Zähne und kaute nachdenklich darauf herum. »Wer ist der Täter?«
»Ein junger Mann. Soweit ich weiß, ist sein Name Tobias.« Er lächelte leicht. »Er hat mir gesagt, dass er Scholar an Heilig-Geist ist.«
Kramer ließ von seinen Wangen ab. »So?«
Silberschläger nickte. Tief in seinem Innersten nagte ein leiser Zweifel. War nicht der Kerl, der ihn angefallen und mit dem er gekämpft hatte, viel größer und kräftiger gewesen als dieser Junge? Erhätte es schwören mögen. Aber schließlich hatte Tobias mit dem Dolch in der Hand dagestanden, als Silberschläger aus seiner kurzen Ohnmacht erwacht war. Rotz und Wasser hatte er geheult. Wenn das kein Beweis für seine Schuld war, dann wollte Silberschläger verdammt sein!
»Was denkt Ihr?«, fragte er. In Kramers Auge war ein Funkeln erschienen.
»Nun«, meinte der Mönch. »Ein gewisser Tobias Weinmann ist aus dem Spital verschwunden. Er ist Scholar, und ich hatte heute Gelegenheit, mit ein paar Leuten zu sprechen. Es geht das Gerücht, dass dieser Tobias in einem Haus Zuflucht gefunden hat, das sie das Fischerhaus nennen.«
Silberschlägers Fingerspitzen begannen zu kribbeln. »Und das Fischerhaus …«, setzte er an. Kramer beendete den Satz für ihn.
»… gehört Katharina Jacob!«
Ein breites Grinsen stahl sich auf Silberschlägers Gesicht, erlosch jedoch sofort wieder. »Verratet Ihr mir, was uns das nützt?«
»Nun, der Mörder mag gefasst worden sein. Aber wir können Katharina immer noch der Mittäterschaft anklagen.«
Silberschläger überlegte. »Wenn Ihr wollt, dass der Stadtrichter Euch in dieser Hinsicht folgt, solltet Ihr dabei nicht mit Hexerei argumentieren.«
»Lasst mich nur machen!« Kramer lächelte vielsagend, und Silberschläger war froh, dass er diesen Mann nicht zum Feind hatte. »Ihr setzt den Stadtrichter von dem Überfall auf Euch in Kenntnis und bittet ihn, so schnell wie möglich herzukommen.«
»Zu dieser Stunde?« Skeptisch sah Silberschläger aus dem Fenster. Draußen war es stockfinster.
Kramer beugte sich zu seinem Beutel hinunter und nahm das Buch heraus, in dem er schon bei ihrem Treffen in seiner Zelle gelesen hatte. Er legte es auf seinen Knien ab und strich zärtlich mit den Fingerspitzen über den Einband. »Zu dieser Stunde«, bestätigte er.
Silberschläger zögerte. Dann erhob er sich, ging zur Tür und rief nach Marianne.
»Ist Eberlein noch da?«, fragte er, als sie angestolpert kam.
Die Magd nickte. »Ja, Herr.«
»Gut. Schick ihn rein.«
Sie tat, wie geheißen, und Silberschläger sandte den Büttel mit dem Auftrag los, den Stadtrichter zu holen. Eberlein wirkte nicht glücklich darüber, aber er wagte keinen Widerspruch. Als er fort war, wandte Silberschläger sich an Kramer. »Was habt Ihr vor?«
»Nun«, meinte der Inquisitor und verzog die Lippen zu einem schmalen Lächeln. »Ich werde den Richter davon überzeugen, dass eine gewisse Katharina Jacob dabei ist, ein ganzes Dämonenheer über der Stadt zusammenzuziehen. Nach all den Dingen, die in den letzten zwei Jahren in dieser Stadt passiert sind, dürfte das nicht allzu schwierig sein, denke ich.«
Silberschläger
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