Madonna
»Vertrau mir!«, sagte er. »Ich werde dir nicht weh tun.«
Eine Empfindung, wie sie sie noch nie zuvor in ihrem Leben gespürt hatte. Sie hob ihm ihre Hüften entgegen, und in diesem einen Moment war alles richtig.
Im nächsten zerbrach etwas in ihr.
Sie hörte Richards Keuchen an ihrem Ohr, und plötzlich war es nicht mehr er, der auf ihr lag, sondern der Mann mit den eisblauen Augen. Plötzlich war da nur noch Schmerz. Sie warf den Kopf zurück, schrie auf, schlug nach ihm, wehrte sich.
»Nein!« Das eine Wort zerriss ihre Kehle.
Richard fuhr zurück, taumelte auf die Füße. Sie starrte ihn an, blinzelte, braune Augen, eisblaue Augen, sie wusste nicht mehr, wo sie war, was geschah, ihr Leib krümmte sich, rückwärts kroch sie, bis an die Wand, und er stöhnte voller Verzweiflung auf. »Katharina!«
Tränen strömten ihr über das Gesicht, Schluchzen schüttelte sie, sie konnte nicht an sich halten, umklammerte sich mit den Armen.
»Gott im Himmel, was hast du?« Er kam zu ihr aufs Bett, zuckte zurück, als sie ihn anstarrte, doch dann erkannte sie ihn endlich, sie flog in seine Arme, zitterte.
Er zog sie an sich, hielt sie, wiegte sie. »Katharina«, wisperte er in ihr Haar, wieder und wieder. »Ich bin es! Ruhig, ganz ruhig!«
Die Panik kehrte zurück, Katharina ballte die Fäuste, schlug auf ihn ein, aber er ließ sie nun nicht mehr los. Er hielt sie, sie traf seinen Kopf, seine Schultern, die Wunde, aber er hielt sie fest. Bis sie sich beruhigte.
Bis sie weinend in seinem Arm einschlief.
»Heirate mich!«
Richards Brustkorb vibrierte sachte, als er das sagte. Sie war vor ein paar Minuten aufgewacht. Sie lag noch immer in seinen Armen, an seine Brust geschmiegt, die nass war von ihren Tränen und vielleicht auch von seinen.
»Was?« Kaum hörbar war ihre Stimme. Von unten herauf sah Katharina ihn an.
»Heirate mich!«
Sie wusste, das war die Frage, die er ihr vorhin hatte stellen wollen.
Sie widerstand dem Impuls, von ihm fortzurücken. Sie wollte nie wieder von ihm losgelassen werden, brauchte seinen Halt so dringend wie die Luft zum Atmen. »Ich habe dich gerade …«
Er schluckte bei der Erinnerung daran. »Was war los?«
Es lag ihr bereits auf der Zunge. Das Bedürfnis, ihm alles zu erzählen, war beinahe übermächtig, aber noch größer war die Angst. Die Angst davor, ihn zu verlieren, wenn sie ihm offenbarte, was sie längst zu wissen glaubte. »Warum fragst du mich das ausgerechnet jetzt?«, flüsterte sie. »Ob ich dich heiraten will, meine ich.«
Er legte die Wange an ihren Scheitel. Er roch nach teurer Seife, offenbar hatte er ein Bad genommen. »Weil ich will, dass du weißt, dass ich dich nie wieder alleinlassen werde.« Er gab ihr einen Kuss aufs Haar. »Weil ich dich liebe.«
Sie schloss die Augen. Fort war alle Panik, fort war sogar die melancholia – für den Moment. »Ich möchte so gerne ja sagen.«
Wenn er enttäuscht war, dass sie ihm auswich, so ließ er es sich nicht anmerken. Er schwieg, dachte nach. »Und warum tust du es dann nicht?« Er nahm eine ihrer Haarsträhnen und begann, sie um seinen Zeigefinger zu wickeln. Katharinas Kopfhaut kribbelte. »Wir könnten Nürnberg verlassen und auf meinen Ländereien in der Toskana leben.«Als seine Fingerspitzen sie an der Wange streiften, rann ein wohliger Schauer über ihren Leib.
Er sah es, und jetzt lächelte er. Für den Augenblick war das Brennen aus seinen Augen verschwunden.
»Die Wahrheit ist, ich habe Angst«, gestand sie ihm.
Ernst blickte er ihr ins Gesicht. »Wovor?«
Sie wusste es nicht genau. Da war einfach dieses unterschwellige Unbehagen, diese Sorge, dass sie sich selbst verlor, wenn sie sich gestattete, schwach zu werden. Und sie wusste, dass er sie schwach machen würde. Er hatte es soeben bewiesen.
Sie schloss die Augen. Ihr Leib verkrampfte sich, und beinahe hätte sie sich gekrümmt. Sie vermied es gerade noch, doch er bemerkte es trotzdem.
»Was hast du, Katharina?«, fragte er besorgt. Er schob sie ein wenig von sich fort.
Sie öffnete die Augen wieder. Er betrachtete sie mit ernstem Blick. »Nichts.« Sie zitterte. »Mir ist kalt«, murmelte sie.
Da zog er die Decke unter sich hervor und deckte sie beide damit zu. Es fühlte sich gut an, völlig richtig, hier mit ihm zu liegen, seinen Atem zu atmen, die Wärme zu spüren, die von seiner Haut ausging.
Ohne dass sie es verhindern konnte, wanderte ihr Blick zu dem Buch auf ihrem Nachtkästchen. »Ich bin Witwe«, sagte sie leise.
Sie sah,
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