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Madonna

Madonna

Titel: Madonna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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seiner Sünden hinzugefügt hatte. Er würde eine Nachricht zu Dr. Spindler schicken müssen, damit er kam, um ihm hier unten die Beichte abzunehmen. Ob er den Lochwirt darum bitten konnte?
    Vorher jedoch galt es, zu überlegen, was diese Männer von Katharina wollten. Der Mönch wollte sie brennen sehen, das hatte er deutlich gesagt. Tobias holte tief Luft. Der Gestank, der in dieser Zelle herrschte, fühlte sich in seiner Nase an wie eine zähe Flüssigkeit. Er hustete. Der Mönch war offenbar ein Inquisitor, es war seine heilige Aufgabe, Hexen zu verfolgen. Aber er musste doch einsehen, dass Katharina keine Hexe war, oder nicht? Würde er sie wirklich unter Anklage stellen? Und wenn ja, bedeutete das, dass er vorhatte, sie zu foltern?
    Folter!
    Tobias erschauderte, als ihm bewusst wurde, dass er selbst kurz davor stand, der Folter unterzogen zu werden. Die Stadträte waren wahrscheinlich längst auf dem Weg hierher, und sie würden nicht besonders guter Laune sein, weil man sie mitten in der Nacht aus dem Bett gezerrt hatte. Doch würden sie tatsächlich Anweisung geben …
    Bilder von ausgerenkten Gliedern und zerquetschten Fingern tanzten vor seinem geistigen Auge herum, und Angst bemächtigte sich seiner. »Muss ich auch wandern in finsterer Schlucht«, flüsterte er, »ich fürchte kein Unheil, denn du bist bei mir, dein Stock und dein Stab geben mir Zuversicht.« Mit einem Ruck setzte er sich auf, starrte in die Finsternis.
    Plötzlich, wie aus dem Nichts heraus, erfüllte ihn Zuversicht, und er war sich sicher: Gott sprach mit ihm! In der Finsternis des Gartens, neben dem röchelnden Silberschläger schon hatte er eine Ahnung davon verspürt, was der Herr mit ihm vorhatte. Und jetzt, hier in diesem Loch, im Moment der größten Angst, war Gott bei ihm und zeigte ihm den Weg, den er für ihn vorgesehen hatte! Jeder einzelne Schritt, den er getan hatte, alles, was er hatte durchmachen müssen, war zu einem einzigen Zweck geschehen: ihn hierherzubringen.
    Weil er Katharina retten sollte. Ja, er selbst war verdammt, das Feuer der Hölle würde so oder so auf ihn warten, aber nur er hatte es in der Hand, Katharina vor der Anklage der Hexerei zu bewahren.
    Er musste nur …
    »Die Morde gestehen«, wisperte er.
    Sein Innerstes erzitterte, doch dann bemächtigte sich eine nie gekannte Kraft seiner Seele. Auf einmal war er ganz ruhig. Auf einmal lag der Weg klar vor ihm.
    Stadtrat Flechner brauchte tatsächlich kaum länger als anderthalb Stunden, um die für eine Entscheidung notwendigen zwei weiteren Ratsherren aus ihren Betten zu klingeln und sie zum Lochgefängnis zu schaffen. Silberschläger, der gemeinsam mit Heinrich Kramer in der Wohnung des Lochwirtes auf die Bürgermeister gewartet hatte, sah erstaunt auf, als bereits so kurze Zeit nach Flechners Aufbruch der Klingelzug vorn an der Haustür betätigt wurde.
    »Das sind sie!« Zufrieden erhob Kramer sich von dem Schemel. Er rieb sich die Hände, und Silberschläger rümpfte die Nase.
    Wieder lag der fanatische Glanz in Kramers Augen, der deutlich zeigte, wie sehr er Katharina Jacob hasste. Er hatte auf Silberschlägers Frage, warum er sie brennen sehen wollte, keine Antwort gegeben, aber die Art, wie er sich benahm, ließ am Ende nur einen einzigen Schluss zu.
    Er sann auf Rache.
    Silberschläger leckte sich über die Unterlippe. Zu gern hätte er gewusst, welch finstere Geschichte die beiden miteinander verband, aber jetzt war keine Gelegenheit, noch einmal danach zu fragen, denn nun drängten sich nacheinander zwei Männer in die Stube des Lochwirtes. Beide sahen sie ein wenig zerzaust und müde aus. Der erste, ein Älterer namens Walther Hofer, war überaus missgelaunt.
    »Könnt Ihr mir bitte sagen, was das Ganze hier zu bedeuten hat?«, fuhr er Heinrich Kramer an, kaum dass er einen Fuß in die Stube gesetzt hatte. Er klang, als sei er erkältet, seine Nase war stark gerötet. »Wie Ihr sicher wisst, hat die Inquisition in Nürnberg keine Befugnisse hinsichtlich der Verfolgung von Hexentaten, weil der Rat …«
    Kramer hob abwehrend beide Hände. »Mein Herr!« Er sprach sehr sanft, und mit gelinder Überraschung blickte Silberschläger ihn an. Kramer hatte nun nichts mehr von dem rachsüchtigen Fanatiker, der noch eben in seiner Haut gesteckt hatte. Er schien nichts weiter zu sein als ein Mann, der in höchstem Maße besorgt war. Eine steile Falte stand über Kramers Nasenwurzel, und sie war so tief, dass seine Augenbrauen sich fast berührten. »Wie

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