Madonna
in seiner Miene arbeitete es heftig.
»Was geschieht nun mit mir?«, flüsterte Tobias. Er war versucht, zu sagen, dass er an Silberschlägers Verletzung keinerlei Schuld trug. Doch wenn er das getan hätte, hätten sie ihn gefragt, wer an seiner Stelle dafür verantwortlich war.
Schweig still! Der knappe Befehl dröhnte in seiner Erinnerung. Tobias presste die Lippen zusammen.
»Wir werden sehen.« Der Kräftige winkte den Mönch nach vorn. »Fangt an!«
Der Mönch nickte. »Ich danke Euch, Herr Stadtrichter!« Ein leicht spöttischer Ton lag in seinen Worten, trieb Tobias auf die Füße. Der Stadtrichter persönlich mühte sich hierher? Mitten in der Nacht? Verunsichert schaute Tobias den Mönch an, der ihn jetzt freundlich anlächelte und sagte: »Setz dich wieder hin, Junge! Dir wird nichts geschehen, das verspreche ich.«
Erfüllt von Misstrauen ließ Tobias sich zurück auf die Pritsche sinken. »Was wollt Ihr?«, krächzte er. »Ich habe …« … das nicht getan! Sein Blick zuckte zu Silberschlägers Halswunde, und er schwieg.
»Ich möchte dir ein paar Fragen stellen«, sagte der Mönch. Er klang noch immer freundlich, und jetzt lächelte er so offen, dass in Tobias ein Funke Hoffnung keimte. Vielleicht war dieser Mann tatsächlich auf seiner Seite!
Er sah ihm in die Augen, bemühte sich, das Lächeln zu erwidern, doch seines geriet schwach und unsicher.
Das des Mönches hingegen erlosch schlagartig. »Sag mir, wer den Bürgermeister überfallen hat!«
Nein! Der Gedanke kam so schnell, wie eine Hand vor einer Flamme zurückzuckte. Schweig still, oder die ewige Verdammnis ist dir sicher!
Heftig schüttelte er den Kopf.
Noch immer sah der Mönch ihn freundlich an. »Willst du es nicht sagen, oder kannst du es nicht?«
Tobias krümmte sich. »Ich kann … nicht …« Gott hatte ihm den Weg gezeigt. Er wusste, was er zu tun hatte.
Der Mönch legte ihm eine Hand auf den Arm.
Tobias zuckte zurück. »Fasst mich nicht an!«, kreischte er. Aus den Augenwinkeln sah er, wie der Stadtrichter und Silberschläger lange Blicke tauschten.
Der Mönch zog die Hand zurück. Rieb sie. Hatte er sich verbrannt? Tobias griff sich an den Hals, um zu prüfen, ob sein Körper schon im ewigen Feuer schmorte. Er spürte jedoch keine Hitze, sondern nur kalten Schweiß. Der Geruch seiner eigenen Angst kribbelte ihm in der Nase.
»Warum kannst du den Namen nicht nennen?«, fragte der Mönch. »Hindert dich etwas daran?«
»Ja!«
»Was hindert dich?« Der Mönch beugte sich vor. So nah war er jetzt, dass Tobias den Geruch von Weihrauch riechen konnte, der aus seinen Kleidern strömte. Sein Leib verkrampfte sich, und er wimmerte.
»Ich … nicht!«
»Was hast du?«
»Lass …«
»Was, Tobias? Das ist doch dein Name, oder? Sag mir den Namen!«
»Nein!«
Er wurde an den Schultern gepackt und festgehalten. Sein Herz raste jetzt zum Zerspringen, er bekam kaum noch Luft. Er versuchte, nach dem Mönch zu schlagen, aber der war zu stark. Warum nur war er so stark? »Lasst mich in Ruhe!« Mit einem Mal war seine Stimme nicht mehr hoch und kindlich, sondern vor Angst in die Tiefe gerutscht.
»Heilige Maria, Mutter Gottes!«, hörte er den Stadtrichter hauchen.
»Nenn mir den Namen!«, verlangte der Mönch erneut. »Du musst dich wehren, Tobias. Nur wenn du mir den Namen sagst, kann ich dir helfen!«
»Ich darf nicht!«, wimmerte er.
Der Mönch warf dem Stadtrichter einen triumphierenden Blick zu. Dann starrte er Tobias in die Augen. »Ich rufe dich an, Dämon, der du in diesem armen Knaben steckst. Nenn mir deinen Namen!«
Ein Zucken erfasste Tobias. »Nein!«
»Nenn ihn mir!«
»Ich kann nicht!«
»Warum nicht?«
Ein Heulen rollte in seiner Kehle wie das eines Wolfes. »Weil ich der Verdammnis anheimfalle!«
Übergangslos war er frei. Der Mönch trat zurück.
»Reicht Euch das?«, fragte er den Stadtrichter.
Der blickte mit Augen voller Grauen auf Tobias nieder. »J-ja.« Er hustete. »Was sollen wir jetzt tun?«
Der Mönch schob die Ärmel seiner Kutte zurück und ließ die Fingergelenke knacken. »Nun, um die Gefahr von Nürnberg abzuwenden, ist es wichtig, den Namen der Hexe zu erfahren, die den Dämon auf diesen armen Wicht niedergesandt hat.«
Der Stadtrichter schluckte schwer. »Könnt Ihr das bewerkstelligen?«
»Natürlich, dazu brauche ich allerdings ein wenig tatkräftige Hilfe. Ihr habt gehört, wie hartnäckig sich Tobias schon weigert, den Namen des Dämons preiszugeben, der ihn in seiner Gewalt
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