Madonna
geschahen. Seine Gedanken wollten zu Dr. Spindler abdriften, doch er stemmte sich dagegen, jetzt an seinen Beichtvater zu denken. »Ich habe den Spitalmeister ermordet. Und auch die Marktfrau.« Er wandte sich an Silberschläger, der mit blassem Gesicht dastand und ebenso erstaunt wirkte wie der Mönch. »Und ich habe versucht, Euch zu töten.« Tobias reckte das Kinn vor. »Ich bin der Mörder, den Ihr sucht!«
Der jüngere und der ältere Patrizier sahen sich an. Beide wirkten sie zufrieden.
»Na, dann ist das ja wohl geklärt«, sagte der Ältere, »und wir können in unsere Betten zurückkehren!«
Der Mönch hatte offenbar nicht vor, es dabei zu belassen. »Wie Ihr seht«, sagte er eilig, »wurde er behext. Und jetzt zwingt der Dämon …«
»In mir ist kein Dämon!«, widersprach Tobias. »Ich habe all die Taten, die man mir vorwirft, aus freien Stücken getan.«
Der jüngere Patrizier legte den Kopf schief, kam aber nicht dazu, eine Frage zu stellen, denn jetzt mischte sich der Stadtrichter ein. »Jemand zwingt dich, das zu sagen, nicht wahr?« Schweiß stand ihm auf der Stirn, und er blickte sich ängstlich über beide Schultern um. Tobias fragte sich, was er in den finsteren Ecken der Zelle sehen mochte. Der Adamsapfel des Mannes ruckte in regelmäßigen Abständen auf und nieder.
Mit einem Mal verspürte Tobias einen Anflug von Unsicherheit. Was, wenn es gar nicht Gott war, der ihm Zuversicht verlieh? Was,wenn er wirklich einem Dämon zum Opfer gefallen war und dieser wollte, dass er die Morde zugab? Er legte sich eine Hand auf das Herz. Wie konnte er sicher sein, wer in seinem Innersten zu ihm sprach? Er stöhnte leise. Wenn doch Dr. Spindler hier gewesen wäre! Er wusste immer genau, was richtig und was falsch war!
Beim Gedanken an seinen Beichtvater verging die Angst wieder. Tobias richtete den Blick auf das Kreuz, das der Mönch um den Hals trug. »Darf ich es berühren?«, fragte er.
Der Mönch schaute an sich hinab. »Das?« Seine Hand schloss sich um das silberne Metall.
»Gestattet es ihm!«, befahl der jüngere Patrizier. »Er soll das Kreuz in den Händen halten und dann sein Geständnis wiederholen.«
Der Mönch schien nicht zu wollen, dass das geschah, aber ihm blieb keine Wahl. Langsam griff er nach der Kette und streifte sie sich über den Kopf. Dann reichte er Tobias das Kreuz.
Tobias griff danach. Was, wenn das geweihte Metall ihn verbrannte? Aber nichts geschah.
Er. War. Nicht. Besessen.
Wieder und wieder sagte er sich diese Worte vor. Dann, nachdem er einmal tief durchgeatmet hatte, hob er den Kopf, sodass er den Mönch geradeheraus anblicken konnte. »Ich, Tobias Weinmann, gestehe hiermit, die eben genannten Morde begangen zu haben.«
Der Mönch rieb sich mit zwei Fingern über Stirn und Augenbrauen.
»Also gut!«, sagte der ältere Patrizier. »Wie es scheint, ist diese Sache hier eindeutig.« Er nickte Silberschläger zu. »Es ist Euch gelungen, den Dolchmörder zu fassen und ihn zu einem Geständnis zu bewegen.« Er deutete eine leichte Verbeugung an. »Meine Hochachtung!«
Silberschläger schien hin- und hergerissen zwischen Stolz und Verzweiflung. »Aber …«, stammelte er mit seiner heiseren Stimme. Und dann fügte er sehr leise hinzu: »… Katharina!«
»Nun!« Der ältere Patrizier stemmte beide Fäuste in die rundlichen Hüften. »Da wir wohl alle hier derselben Meinung sind, dass wir es mit gewöhnlichen Morden zu tun haben und keinesfalls mit Hexerei …«
»Ähm!« Zögernd hob der Stadtrichter einen Finger. »Ich bin mir da nicht so sicher!«
Der Mönch unterdrückte ein Lächeln.
»Niemand hat mich verhext!«, behauptete Tobias. Es musste ihmgelingen, die Männer davon zu überzeugen! Nur so konnte er verhindern, dass sie Katharina ebenfalls hierher an diesen furchtbaren Ort brachten.
Die Männer begannen, miteinander zu diskutieren. Tobias verstand nur die Hälfte von dem, was sie sagten, denn sie redeten jetzt ziemlich laut und schnell durcheinander. Doch es war ihm ohnehin einerlei. Er behielt lieber den Mönch im Auge, der den Streit zugleich neugierig und überaus gelassen beobachtete.
»Es gibt eine Möglichkeit, wie wir ganz zweifelsfrei herausfinden, ob dieser junge Mann hier besessen ist oder nicht«, sagte er mitten in eine Atempause hinein. Seine Worte schwangen einen Augenblick lang in der Luft.
»Wie?«, fragte der ältere Patrizier. Während des Streits hatten die anderen ihn ein paarmal mit dem Namen Hofer angeredet.
»Nun. Ist es in
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