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Madonna

Madonna

Titel: Madonna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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ich dem Herrn Stadtrichter schon sagte, bin ich in der Lage, Eure Stadt vor einer gewaltigen Gefahr zu bewahren …« Er ließ den Satz in der Luft hängen.
    Der zweite der neu hinzugekommenen Stadträte, ein jüngerer Mann namens Karl Mullner, starrte Kramer mit einer Mischung aus Unbehagen und Scheu an. »Ihr redet, als stehe es bereits fest, dass diese Frau der Hexerei schuldig ist!«
    Auch ihn bedachte Kramer mit einem freundlichen und überaus besorgt wirkenden Blick. »Glaubt mir«, sagte er leise und fast ein wenig betrübt, »ich kenne diese Katharina Jacob seit vielen Jahren. Und sie ist eine Hexe.«
    Mullner schüttelte unwillig den Kopf. Wie ein Pferd sah er aus, das sich gegen einen ganzen Schwarm Fliegen zur Wehr zu setzen versuchte und sich doch vergeblich mühte. »Ich …«
    Kramer fiel ihm ins Wort. »Nun seid Ihr schon einmal hier. Was hindert uns dann daran, einen Blick auf diesen jungen Scholaren zu werfen? Ihr werdet rasch feststellen, dass er dem unheiligen Einfluss dieser Hexe unterliegt.«
    »Wir werden ihn uns ansehen«, sagte Hofer. »Und wir werden unsere eigenen Schlüsse ziehen.« Er starrte Kramer finster an, und in Silberschläger wuchsen Zweifel daran, ob der Mönch sein Ziel erreichen würde. Die beiden Stadträte waren offenbar weitaus weniger geneigt, an Hexerei und Teufelswerk zu glauben, als Flechner. Es würde nicht einfach werden, sie zu überzeugen. Silberschläger suchte Kramers Blick, doch der Mönch schien nach wie vor zuversichtlich.
    »Natürlich!« Kramer neigte den Kopf und wies in Richtung derTreppe, die nach unten in die Küche der Lochwirtswohnung führte und von dort aus ins Lochgefängnis. Über sie waren Silberschläger und er vor anderthalb Stunden aus der dumpfen Tiefe zurück nach oben gekommen.
    Mullner und Hofer sahen sich an. »Gehen wir!«, entschied Hofer schließlich.
    Und das taten sie.

23. Kapitel
    Tobias wartete. Aufrecht saß er auf der vorderen Kante der Pritsche, die Füße dicht nebeneinandergestellt und die Hände auf den Knien abgelegt. Er fühlte sich gut. Ruhig und zuversichtlich, dass er das, was nun vor ihm lag, durchstehen konnte.
    Der Herr war bei ihm, das spürte er deutlich. Wie er seinem Sohn Jesus Christus im Garten Gethsemane Kraft gegeben hatte, sich seinen Häschern zu stellen und den ihm vorgezeichneten Weg anzutreten, so gab er nun auch Tobias Kraft.
    Die Schritte mehrerer Männer ertönten draußen auf dem Gang, und als das Geräusch eines Schlüssels erklang, der im Schloss seiner Zellentür umgedreht wurde, da glitt ein Lächeln über Tobias’ Miene. Zum ersten Mal seit langer – sehr langer – Zeit fühlte er sich, als könne er Gottes Gnade doch noch erlangen.
    »Ich danke dir, Herr!«, murmelte er.
    Die Zellentür schwang auf. Herein trat als Erster dieser finstere Mönch mit den komisch gekräuselten Haaren. Er wirkte zufrieden, jedoch auch ein wenig angespannt, und als er nun zur Seite trat, um den restlichen Besuchern Platz zu machen, da begegnete sein Blick dem von Tobias.
    Es war unmöglich, in seinen blauen Augen zu lesen, also konzentrierte Tobias sich stattdessen auf die anderen Männer. Da war der Stadtrichter. Er war leicht zu durchschauen, er hatte eindeutig Angst. Tobias vermochte sich nur nicht vorzustellen, wovor.
    War nicht vielmehr er derjenige, der hier Angst haben musste?
    Hinter dem Stadtrichter kamen jetzt zwei neue Männer herein, beide in die teure Kleidung von Patriziern gehüllt, jedoch etwas nachlässig angezogen. Beide sahen müde aus, etwas ungehalten und überaus unlustig. Einer war vielleicht um die fünfzig Jahre alt, der andere um einiges jünger. Tobias hatte sie beide noch nie zuvor gesehen.
    »Nun«, begann der Mönch nach einem leisen Räuspern. »Hier haben wir den …«
    Mit einer raschen Bewegung stand Tobias auf. »Ich war es!« Seine Stimme klang fest, und Stolz erfüllte ihn deswegen.
    Der Mönch glotzte ihn an. »Wie bitte?«
    In den Augen des jüngeren Patriziers erschien ein Ausdruck von Verwunderung. Bevor der Mönch noch etwas sagen konnte, trat der Patrizier vor. Er war fast genauso groß wie Tobias, und so schauten sie sich in die Augen, bevor der Mann sagte: »Was warst du?«
    »Ich …« Tobias setzte an, aber nun versagte ihm doch die Stimme. Er besann sich. Gott war bei ihm! Und die Heilige Jungfrau auch. Er dachte an die Statue der Madonna in der Heilig-Geist-Kapelle. Manchmal hatte er geglaubt, sie weinen zu sehen über die Dinge, die heimlich hinter dem Altar

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