Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Madonna

Madonna

Titel: Madonna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
Vom Netzwerk:
Nürnberg üblich, Menschen, die einen oder gar mehrere Morde gestanden haben, dem Henker zu übergeben?«
    Das Wort ›Henker‹ ließ Tobias’ Herz in seiner Brust erzittern, aber er blieb standhaft. Der Herr war mit ihm, wie er mit Jesus Christus gewesen war. Sein Kreuzweg hatte gerade erst begonnen.
    »Natürlich!«, antwortete Hofer.
    »Dann ist es ganz einfach!«, sagte der Mönch. »Gebt Befehl zur Hinrichtung. Sollte sich ein Dämon in diesem jungen Mann befinden, muss er den Körper in der Todesstunde verlassen. Bei seiner Hinrichtung also werden wir Gewissheit bekommen.«
    Der jüngere Patrizier schaute Tobias ins Gesicht. Er hatte Zweifel, das konnte Tobias ihm ansehen. »Dir ist klar«, fragte er, »dass du hingerichtet werden wirst? Wiederholst du unter diesen Umständen dein Geständnis?«
    Tobias nickte. Seine Lippen zitterten ein wenig, aber man hörte seiner Stimme kaum Angst an, als er sagte: »Ja, das tue ich!«
    »Und wirst du, wenn sie dir deinen Rechtstag bereiten, dein Geständnis ebenfalls wiederholen?«
    Der Rechtstag, das wusste Tobias, gehörte zu einer rechtskräftigen Verurteilung. Man würde ihn vor eine größere Gruppe von Ratsherren führen, dort würde er sein Geständnis laut und deutlich und ohne Androhung der Folter wiederholen müssen. Erst dann galt seine Schuld als bewiesen, und er konnte verurteilt werden.
    Er würde verurteilt werden.
    Mit fest aufeinandergebissenen Zähnen nickte er.
    Der jüngere Patrizier nickte. »Also gut! Dann soll es wohl so sein.« Tobias glaubte, eine Frage in seiner Miene lesen zu können.
    Warum tust du das?
    Er senkte den Kopf, ließ die Schultern nach vorn fallen. Er musste schuldig aussehen, schuldig und entsetzt über seine Taten. Von unten herauf versuchte er, dem jüngeren Patrizier ins Gesicht zu schielen, aber der hatte sich abgewandt und disputierte erneut mit den anderen.
    »Es liegt in unseren Händen«, sagte Hofer ungeduldig. »Wir sollten abstimmen. Wer ist dafür, dass dieser junge Mann seinen Rechtstag erhält?« Er selbst hob als Erster die Hand. Der Stadtrichter und Silberschläger taten es ihm gleich.
    Nur der jüngere Patrizier zögerte.
    »Mullner?«, fragte Hofer ihn.
    Da nickte der Jüngere. Er wollte etwas hinzufügen, aber Hofer kam ihm zuvor. »Gut. Das ist also einstimmig, wie es das Gesetz vorschreibt.« Er strebte schon in Richtung Tür, doch der Stadtrichter hielt ihn auf, indem er leise »Ähm!« murmelte.
    Mit einem ungeduldigen Seufzen drehte Hofer sich wieder um. »Was noch?«, raunzte er.
    »Ich beantrage, dass der Rechtstag sofort morgen früh einberufen wird!«, sagte der Stadtrichter.
    »Morgen ist Sonntag!« Schon wollte Hofer sich erneut zum Gehen wenden, doch der Stadtrichter, der zuvor einen fragenden Blick in Richtung des Mönches geworfen und von diesem ein aufmunterndes Nicken geerntet hatte, sagte: »Es geht hier immerhin um den schwerwiegenden Vorwurf der Hexerei! Und wenn es stimmt, was dieser heilige Mann hier sagt …«, an dieser Stelle deutete er auf den Mönch, »… dann könnte Nürnberg sich in großer Gefahr befinden!«
    »Hexen!« Hofer schnaubte. »Wer’s glaubt!«
    Einen Augenblick lang standen er und der Stadtrichter sich erbost gegenüber, und schon wollte der Richter nachgeben, als der Mönch sich nach vorn schob.
    »Was habt Ihr zu verlieren außer vielleicht einen Sonntagvormittag?«, fragte er. »Doch wenn es stimmen sollte, was der Herr Stadtrichter und ich befürchten, dann …«
    »Schon gut!« Mit einer barschen Geste winkte Hofer ab. »Also legen wir den Rechtstag dieses Mannes auf morgen! Aber jetzt entschuldigt mich. Ich muss dringend schlafen gehen!« Und mit diesen Worten stiefelte er davon.
    Nachdem sie allesamt das Lochgefängnis verlassen hatten und der Lochwirt hinter ihnen sorgsam abgesperrt hatte, war Silberschläger froh, endlich wieder frische Luft zu atmen. Als sie auf die Lochgasse hinaustraten, schlug es gerade eins gen Tag. Silberschläger seufzte. An Schlaf war nun sowieso nicht mehr zu denken!
    Kramer schien mit dem Verlauf des eben Geschehenen recht zufrieden zu sein, und Silberschläger fragte sich, wieso. Sie waren weiter davon entfernt, Katharina festnehmen zu können, als je zuvor.
    »Sieht ganz so aus, als bliebe Euch nichts anderes übrig, als zu ihr zu gehen und Eure Rache ohne meine Hilfe zu vollziehen«, murmelte er.
    »Wovon redet Ihr?« Kramer schaute verwundert.
    Silberschläger zuckte zusammen, weil der Blick dieser hellblauen Augen mit einem

Weitere Kostenlose Bücher