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Madonna

Madonna

Titel: Madonna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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und auch nicht die Handvoll alter Frauen, die bei seiner Ankunft im hinteren Teil der Kirche zusammengestanden hatten und sich nun anschickten zu gehen. »Sie haben …« Vom Laufen war er völlig atemlos, und Gedanken und Erinnerungen wirbelten in seinem Kopf umher wie Blätter in einem Sturm. Tobias auf dem Henkerskarren. Die Frage, die er ihm gestellt hatte.
    Die Frage, die sein gesamtes Denken ausfüllte, die keinen Platz mehr ließ für andere Dinge.
    Weißt du, wer es war?
    Die Antwort, die Tobias ihm gegeben hatte, war keine gewesen. »Hol Dr. Spindler«, hatte er gesagt. »Ich muss beichten.« Und dann hatte er die Lippen gespitzt, hatte die Melodie gepfiffen, die Donatus wie ein Blitzschlag getroffen hatte.
    Jetzt war er hier, erfüllt von der verzweifelten Hoffnung, dass Spindler helfen konnte. Spindler würde Tobias retten können, daran klammerte er sich, er musste ihn retten, oder nicht? Donatus kämpfte den Aufruhr in sich nieder.
    »… Tobias«, stieß er hervor. »Sie haben Tobias!«
    Spindler runzelte die Stirn. »Was meinst du damit?« Er gab die Stola einem der Scholaren und bat ihn, sie in der Sakristei abzulegen.
    Die Gedanken in Donatus’ Kopf drehten sich langsamer. Dr. Spindlerwürde helfen. Es würde alles gut werden! So knapp wie möglich berichtete Donatus von Tobias’ Mordanklage und der so eilig angesetzten Hinrichtung.
    Der Priester wurde totenblass. »Sie lassen ihn hinrichten?«
    »Ja. Er hat mich gebeten, Euch zu holen, er möchte eine letzte Beichte, aber Ihr könnt ihn retten, nicht w …« Er unterbrach sich, weil Spindler ihn einfach stehen ließ und zur Sakristei eilte. »Ihr müsst ihn retten!«, rief er ihm nach.
    Das seid Ihr ihm schuldig.
    Er schob diesen Gedanken fort.
    »Nikolaus!«, hörte er den Priester rufen. »Hilf mir, die Gewänder auszuziehen. Und Gunther: Du sagst Claudius Bescheid, er soll den Wagen anspannen. Es ist ein Notfall!«
    Claudius war eine Art Faktotum des Spitals. Er kümmerte sich um Reparaturen, die anfielen – und um den Karren, der den Priestern zur Verfügung stand, wenn es galt, eilig irgendwohin zu gelangen.
    Gunther rannte aus der Sakristei herbei. Durch die offenstehende Tür sah Donatus, wie Nikolaus Dr. Spindler half, die Messgewänder über den Kopf zu streifen. Ihre Bewegungen waren geübt und eingespielt, und so stand der Priester bereits vor der Kapelle, als Gunther mit vom Laufen rotem Kopf wiederkehrte und verkündete, der Wagen stehe bereit.
    Spindler winkte Donatus zu sich. »Du kommst mit!«, befahl er.
    Donatus nickte. Natürlich gehorchte er.
    Eine unheimliche Gleichgültigkeit erfasste Katharina in dem Augenblick, als die Hände der Büttel sich auf sie legten und ihr die Arme auf den Rücken drehten. Sie war nicht zum ersten Mal in dieser Situation – einer Sache angeklagt zu werden, die sie nicht begangen hatte, das hatte sie schon einmal erlebt. Es kam ihr vor, als habe ein unbarmherziger Gott in das Rad der Zeit gegriffen und es einfach um zwei Jahre zurückgedreht.
    Als die Büttel sie den Hügel hinabführten, wandte sie sich um, so gut sie es im harten Griff der Männer vermochte. Richard stand mit fassungsloser Miene da und versuchte zu begreifen, was gerade geschehen war. Arnulf war bei ihm und redete auf ihn ein, doch Richard sah nicht so aus, als höre er ihm zu. Der Blick des Nachtraben war aufHeinrich Kramer gerichtet, der etwas abseits stand und die Szenerie mit einem leichten Lächeln um die Lippen beobachtete.
    Mit einem Mal krampfte sich ihr Unterleib mit solch furchtbarer Kraft zusammen, dass ihr fast die Beine versagten.
    Burckhard!, kreischte eine hohe Stimme in ihrem Kopf. Was tust du?
    Zu ihrer grenzenlosen Erleichterung senkte sich jedoch gleich darauf die melancholia über sie, legte über alles Empfinden einen Schleier aus Grau. In diesem Augenblick war sie dankbar dafür.
    Ihr Fuß verfing sich in einer hochstehenden Wurzel, und sie stolperte. Die Hände der Büttel hielten sie, stellten sie unsanft wieder auf die Füße.
    »Weiter!«, befahl der Anführer.
    Katharina senkte den Blick auf den Weg vor sich. Sie wusste, wohin sie gebracht werden würde.
    Ins Lochgefängnis.

25. Kapitel
    Genauso geschah es.
    Die Büttel führten sie zurück in die Stadt, und sie wählten dabei genau den umgekehrten Weg, den der Henkerskarren kurz zuvor genommen hatte. Etliche Schaulustige folgten, Richard und Arnulf unter ihnen. Sie hielten sich so dicht in der Nähe, wie die Büttel es zuließen. Am Frauentor kam es

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