Madonna
das ihr einen eisigen Schauer über den Rücken jagte, und im nächsten Moment …
… hörte sie eine leise Stimme, dicht an ihrem Ohr, die ihr etwas zuflüsterte, was sie nicht hören wollte …
Sie kniff die Augen zusammen.
Mach die Beine breit, Schatz!
Ein Schluchzen hallte in der engen Zelle wider, und sie begriff, dass es ihr eigenes war. Ihr Unterleib verkrampfte sich so sehr, dass sie gepeinigt aufkeuchte.
»Oh!« Die Stimme des Inquisitors klang überrascht. »Sie ringt mit den Dämonen ihrer Vergangenheit!«
»Was wollt Ihr von mir?« Urplötzlich erfüllte eine solche Wut Katharina, dass sie auffuhr, an die Zellentür flog und durch das kleine Fensterchen nach dem Kerl dort draußen krallte. »Was gibt Euch das Recht …?« Sie hörte selbst, dass sie wie eine Katze fauchte, und schlagartig verstummte sie.
»Die Dämonen, die sie in ihrer Gewalt halten, sind mächtig!«, hörte sie Kramer sagen. »Lassen wir ihnen ein wenig Zeit, sich zu beruhigen. Für heute ist es genug. Ihr alle habt euch ein paar ruhige Stunden redlich verdient. Morgen ist ein neuer Tag, und wir werden sehen, was er bringt.«
Schritte entfernten sich, irgendwo fiel eine Tür zu. Die Stille verdichtetesich, bis Katharina das Gefühl hatte, in einem Schraubstock zu sitzen.
»Jetzt sind wir beide allein!«
Beim Klang der Stimme fuhr sie zusammen. Sie hatte angenommen, Kramer sei zusammen mit den anderen gegangen. Im nächsten Moment jedoch presste er sein Gesicht dicht an das Fensterchen ihrer Zellentür.
Jetzt sind wir beide endlich allein!
Die Worte hallten in ihrem Kopf wider, und für einen Augenblick lang wusste Katharina nicht, ob sie sie wirklich hörte oder ob sie sie sich nur einbildete. Sie rutschte an der Zellentür zu Boden und presste die Hände auf die Ohren. Ihr Leib stand in hellen Flammen, und sie krümmte sich.
»Lass mich!«, wimmerte sie. »Tu mir nicht weh!« Erschrocken lauschte sie dem Klang ihrer Stimme nach. Hatte sie das wirklich gesagt? Sie fühlte sich hilflos, ohnmächtig.
Ein Lachen fiel auf sie nieder wie ein Hieb. »Damit«, sagte Kramer, »nähern wir uns dem Kern unseres gemeinsamen Problems.«
»Was willst du von mir?«, stieß Katharina hervor.
Er wartete einen Augenblick, bevor er antwortete. »Burckhard rächen!«, sagte er dann kalt.
»Ich kenne keinen Mann namens Burckhard!« War das so? Sie dachte an die kreischende Stimme, die ab und an aus ihrem Gedächtnis aufstieg und diesen Namen schrie. Etwas regte sich in ihrem Hinterkopf, eine Erinnerung, fern, verschwommen, und im ersten Moment bekam sie sie nicht zu fassen. Doch dann war da wieder diese Stimme.
Burckhard! Was tust du?
Sie hörte sie kreischen. Und plötzlich wusste sie, wem sie gehörte.
Mechthild. Ihrer Mutter.
»Oh doch«, erwiderte Kramer. »Du kennst Burckhard. Du hast ihn der ewigen Verdammnis anheimgegeben, du Hure!«
Fassungslos starrte Richard auf die Tür des Lochgefängnisses, die Gabriel Dengler soeben einfach vor seiner Nase zugeschlagen hatte.
»Mistkerl!«, rief er. »Es ist mein Recht, Katharina zu sehen! Macht auf!« Er ballte die Faust und hieb damit gegen die massive Tür, doch alles, was er erreichte, war, dass ein scharfer Schmerz sich durch dasdumpfe Pochen bohrte, aus dem seine Schulter jetzt seit einigen Stunden bestand.
Mit jagendem Herzen und gesenktem Kopf blieb er mitten in der Lochgasse stehen.
»Das bringt nichts«, hörte er Arnulf sagen, und so viel Unwillen über die Ausweglosigkeit der Lage staute sich in seiner Brust, dass er herumfuhr und bellte: »Ach?«
Die Welt geriet für einen kurzen Moment aus dem Gleichgewicht, weil sie seiner raschen Drehung nicht zu folgen vermochte. Er taumelte, musste an der Wand Halt suchen.
»Richard!« Arnulf sprang hinzu, griff nach seinem Arm. »Himmel!«, rief er erschrocken. »Du glühst ja!«
Richard machte sich erst von ihm frei, dann nahm er vorsichtig die Hand von der Wand. Das Schwindelgefühl verging. Er fuhr sich mit der Zunge über die trockenen Lippen. »Wundfieber«, murmelte er. »Katharina hat es kommen sehen.« Dann blickte er Arnulf in die Augen. »Entschuldige, dass ich dich eben so angefahren habe!«
Der Nachtrabe winkte ab. »Wir müssen Katharina da rausholen«, sagte er. »Und zwar schnell!«
»Wir müssen Zeugen besorgen, die für sie aussagen.« In Gedanken zählte Richard die Namen der Personen auf, die für sie sprechen würden. Hartmann Schedel. Natürlich. Und dessen Bruder Johannes. Er war Mönch im
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