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Madonna

Madonna

Titel: Madonna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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scherte sich nicht darum. Er kam näher, so dass er jetzt auf die Tischplatte schauen konnte. Seine schwarze Nase arbeitete hektisch bei dem Versuch, herauszufinden, ob ein Nachschlag für ihn im Bereich des Möglichen lag.
    »Lump!« Die Stimme des Wirtes donnerte durch die halbe Wirtsstube. Sofort zog der Hund den Kopf ein und schlich hinter die Theke. »Du sollst nicht betteln, du Zausel!«, schimpfte Reuther, aber seine Stimme hatte einen versöhnlichen, fast zärtlichen Klang, und Richard hörte ein rhythmisches Klopfen, als der Hund beim Wedeln mit dem Schwanz gegen die Theke stieß. »Entschuldigt, sollte er Euch belästigt haben!«, sagte der Wirt.
    »Schon gut.« Richard nickte ihm zu.
    Draußen war in der Zwischenzeit die Sonne untergegangen. Giesela hatte mehrere Talglichter entzündet und sie auf Vorsprüngen und Regalen verteilt, die an den Wänden ringsherum angebracht waren. Das flackernde Licht duftete nach Thymian, und ganz kurz fühlte Richard sich in die Toskana zurückversetzt. Doch er verspürte keine Sehnsucht nach dem Süden. Im Gegenteil. Er war froh, hier zu sein.
    In der Nähe Nürnbergs.
    Wo Katharina wohnte.
    Lautes Geschrei weckte ihn.
    Der Wirt hatte ihm ein Zimmer unter dem Dach gegeben, dessen Bett mit einer überraschend bequemen Gurtmatratze ausgestattet war. Nachdem Richard sich noch eine Weile mit Heinrich Kramer unterhalten und sich dabei alle nur erdenkliche Mühe gegeben hatte, das Gespräch vom Thema Hexenhammer fortzutreiben, war er todmüde und körperlich völlig erschlagen in einen tiefen Schlaf gefallen. Nicht einmal ein wirrer Traum, in dem abwechselnd Katharinas Gesicht und das seiner vor vielen Jahren verstorbenen Schwester Magdalena aufgetaucht waren, hatte ihn davon abhalten können, sich auf die andere Seite zu drehen und weiterzuschlafen.
    Das Geschrei jedoch drang durch den Schleier seiner Müdigkeit,zerschnitt den Schlaf und brachte Richards Geist dazu, zurück an die Oberfläche des Bewusstseins zu taumeln.
    »Himmel, Herrgott noch mal, Randolf, wie oft soll ich dir noch sagen …«, hörte er draußen jemanden fluchen, dann folgte ein weiterer Schrei, diesmal so voller Schmerz, dass Richard sich mit einem Ruck aufsetzte. In seiner Kammer war es noch dunkel. Da er die Fensterläden nicht geschlossen hatte, konnte er von seinem Bett aus einen winzigen, pechschwarzen Ausschnitt des Himmels sehen. Ein einzelner Stern blinkte darin, und wenn Richard seinem Gefühl trauen konnte, waren es noch etliche Stunden bis Sonnenaufgang.
    »Verflixt! Kommt denn hier noch mal jemand?«
    »Heda!« Der schmerzverzerrten Stimme folgte eine zweite, tiefere, dann ertönte ein lautes, dröhnendes Poltern, als jemand gegen das Hoftor schlug. »Wir brauchen Hilfe, hier ist jemand verletzt!«, rief die tiefe Stimme.
    Im Haus regte sich etwas.
    Richard konnte hören, wie ein Möbel über den Dielenfußboden schrammte, und er stellte sich vor, wie Heinrich Kramer, der die Kammer direkt neben der seinen bezogen hatte, von der Fußbank aufstand, auf der er die vergangenen Stunden im Gebet zugebracht hatte.
    »Ich komme ja schon!«, brummte unten im Hof die missmutige Stimme des Wirtes. »So ein Lärm! Mir das ganze Haus aufzuwecken!« Und dann, als würden seine Gäste nur die Fremden draußen vor dem Tor hören können und nicht ihn, brüllte Reuther quer über den ganzen Hof: »Michael, du Taugenichts! Sitzt du auf deinen Ohren? Da verlangt jemand Einlass, bei Mutters Ziegenbart … ja, ist es denn …« Den Rest konnte Richard nicht mehr verstehen, weil Reuther offenbar bewusst wurde, dass er seine Gäste nicht minder störte als die Leute vor dem Tor und seine Stimme zu einem wütenden Getuschel senkte.
    Richard lauschte, wie der Wirt quer über den Innenhof lief. Das zuckende Licht einer Laterne, die Reuther mit sich trug, tanzte über die Decke seiner Kammer. Andere Schritte erklangen, der Wirt und sein Bruder unterhielten sich kurz und so leise, dass Richard außer »… vorsichtig sein …« und »… müssen helfen …« nicht viel verstand. Dann endlich wurde der Riegel fortgezogen, der das doppelflüglige Tor verschlossen hielt. Dumpf polterte der massive Balken auf die Erde, ein leises Quietschen ertönte, als das Tor aufschwang.
    »Das wird auch … Danke!« Die hellere der beiden fremden Stimmen, jene, in der noch immer hörbar der Schmerz mitschwang, klang im ersten Moment noch wütend, gleich darauf aber nur noch erleichtert.
    »Was ist passiert?«, fragte der Wirt, um dann

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