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Madonna

Madonna

Titel: Madonna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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mannshohen, weiß gekalkten Mauer und einem steil aufragenden Dach, aus dessen Schornstein Rauch senkrecht in die Höhe stieg. Rechterhand befand sich ein breites Tor, durch das Fuhrwerke in einen Innenhof fahren konnten. Linkerhand führte eine Tür direkt ins Haupthaus. Während die Tür verschlossen war, stand das Tor einladend offen, so dass Richard sein Pferd dorthin lenkte. Im Innenhof beschattete eine alte Linde Mauer und Dach mit ihren ausladenden Ästen und verteilte ihre herbstgoldenen Blätter in weitem Umkreis um Haus und Ställe. Eine junge Frau lehnte an einem Brunnen und unterhielt sich mit einem älteren Mann, der trotz der herbstlichen Kühle die Ärmel bis über die Ellenbogen hochgekrempelt hatte.
    Als Richard in den Hof einritt, unterbrachen die beiden ihr Gespräch.
    »Vater!«, rief die junge Frau über die Schulter ins Innere des Haupthauses. »Ich glaube, wir haben einen neuen Gast!«
    Der hemdsärmlige Mann trat schweigend einen Schritt vor. Er musterte Richard und vor allem das Schwert an seinem Sattel aufmerksam, bevor er nach den Zügeln des Pferdes griff und das Tier ruhig hielt, so dass sein Reiter absteigen konnte.
    Richard wusste, was der Mann sah: einen hochgewachsenen, von der südlichen Sonne braungebrannten Kerl, der von dem langen Ritt aus der Toskana bis hierher hager geworden war. Höflich nahm er seinen schwarzen, befiederten Hut ab, damit der Mann ihm besser ins Gesicht schauen konnte. Er war froh, dass er sich in einem Anfall von Veränderungswillen in Regensburg die Haare, die ihm früher lang und wellig bis auf die Brust gefallen waren, kurzgeschnitten und den rötlichen Vollbart abrasiert hatte. Er wirkte einfach gepflegter so, weniger wie ein Strauchdieb, als der er sich manchmal fühlte.
    Dem hemdsärmeligen Mann schien zu gefallen, was er sah. »Willkommen in diesem Haus!«, grüßte er. »Braucht Ihr ein Zimmer oder nur etwas zu essen?«
    Während er das fragte, kam ein zweiter Mann aus dem Haus geeilt, der dem Hemdsärmeligen stark ähnelte. Er machte eine Verbeugung vor Richard, dann winkte er den anderen fort, als sei er eine lästige Fliege.
    »Braucht Ihr ein Zimmer oder wünscht Ihr nur etwas zu essen?«, fragte er in fast demselben Tonfall, den der Hemdsärmelige kurz zuvor angeschlagen hatte.
    Richard lächelte den Mann an. »Beides, wenn Ihr habt.«
    »Natürlich!« Der Mann, der ganz offensichtlich der Wirt war, wies in Richtung Eingangstür. »Tretet doch ein! Giesela, meine Tochter, wird Euch sofort etwas zu essen bringen.« Mit einem raschen Blick zu der jungen Frau scheuchte er diese los, seinen Worten Taten folgen zu lassen.
    Die junge Frau, die seit seinem Eintreten durch das Hoftor den Blick nicht von Richard hatte abwenden können, nickte eilig. Dann huschte sie davon, wobei sie über die Schwelle stolperte, als sie das Haus betrat.
    Der Wirt sah es und schüttelte missbilligend den Kopf. »Dummes Ding!«, murmelte er. »Mein Name ist Johann Reuther«, stellte er sich dann vor. »Mir gehört dieses Anwesen hier, und ich freue mich, Euch willkommen heißen zu dürfen.« Mit weit ausgebreiteten Armen geleitete er Richard zur Tür hinein, einen kurzen, breiten Gang entlang und durch eine weitere Tür in eine Gaststube, in der fünf Tische vor einem ausladenden, jedoch leeren Kamin standen. Die Luft in der Stube roch ein wenig nach altem Holzrauch, ein Aroma, das in Richard die Sehnsucht nach Zuhause weckte.
    Nur einer der Tische war besetzt – von einem dünnen, ältlichen Mann in der weißen Kutte der Dominikanermönche, der in die Lektüre eines dicken Buches versunken war und dabei mit den Haaren an seiner rechten Schläfe spielte. Obwohl es drinnen nicht übermäßig kalt war, hatte er seine schwarze Kukulle nicht abgelegt. Ihre Kapuze lag auf seinem Rücken. Die Haare, die er sich um den Zeigefinger wickelte, wirkten eigenartig kräuselig, während sie auf der anderen Seite seines Kopfes glatt und gepflegt über die Ohren hingen.
    Als Richard an seinem Tisch vorbeikam, schaute der Mönch von seiner Lektüre auf. Sie nickten sich schweigend zu, und Richard sah, dass der Mann wasserblaue, kühl wirkende Augen hatte.
    Der Wirt betrachtete den Mönch kurz, runzelte die Stirn, widmete sich aber sogleich wieder seinem neuen Gast. »Setzt Euch!«, bat er. »Für Euer Pferd sorgt mein Bruder, seid ohne Sorge, er ist ein Nichtsnutz, aber er hat eine gute Hand für Pferde.« Er verschwand hinter dem Tresen und machte sich daran, einen Krug mit

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