Madonna
freute, dass Richard zwei und zwei zusammengezählt und ihn als den Verfasser des Buches auf dem Nachbartisch erkannt hatte.
»Ah!«, machte Heinrich Kramer. »Ein Mann mit Lateinkenntnissen!«
Richard lehnte sich zurück. »Wie man’s nimmt!«
»Angenehm, Eure Bekanntschaft zu machen. Mögt Ihr mir von Euren Erfahrungen mit der Hexerei erzählen?« Kramer schielte zu seinem Buch hinüber.
In schneller Folge rasten Erinnerungen durch Richards Kopf. Katharina in der Hexenzelle des Nürnberger Lochgefängnisses. Sie auf ein Holzkreuz geschnallt bei der Wasserprobe, bei der sie beinahe gestorben wäre. »Ich glaube nicht«, wiegelte er ab. Er hatte keine Ahnung, ob dieser Mönch hier ein Hochstapler oder tatsächlich Heinrich Kramer – Henricus Institoris –, der Verfasser des inzwischen recht berüchtigten Hexenhammers, war. Besser, er hütete seine Zunge.
Kramer neigte verständnisvoll den Kopf. »Natürlich. Ihr sagtet eben, es seien persönliche Angelegenheiten, die Euch nach Nürnberg treiben. Verratet Ihr mir mehr davon?«
Richard zog sein Messer aus dem Gürtel und machte sich daran, das Fleisch auf seinem Teller zu zerteilen. Während er das tat, sagte er: »Eigentlich lebe ich dort. Ich war aber einige Zeit nicht in der Stadt.«
Kramer betrachtete Richards braungebrannte Handrücken. »So wie Ihr ausseht, wart Ihr im Süden.«
Richard nickte, spießte ein Stück Braten auf die Messerspitze und führte es zum Mund. Anders als der Wein, der ihm vorzüglich mundete, schmeckte ihm das Essen nicht besonders gut. Es war mit Nelken und einem anderen Kraut viel zu stark gewürzt, und Richard hoffte nur, dass dies nicht geschehen war, um den Geschmack von Fäulnis zu überdecken. Spätestens in der Nacht, dachte er grimmig, würde er es wissen. »In der Toskana«, sagte er. »Ich habe Ländereien dort.«
Der Mönch sah zu, wie er kaute. Er beugte sich zu seinem Tisch hinüber, griff nach seinem Becher. Er trank einen Schluck und wischte sich den Mund ab. »Ihr seid reich.«
Richard wiegelte ab.
Der Mönch grinste. »Und bescheiden. Eine christliche Zier!« Er lachte.
Richard war sich Gieselas Gegenwart bewusst. Die junge Frau hatte sich zwar in die hinter der Theke liegende Küche zurückgezogen, aber sie hatte sich derart vor dem dort stehenden Herd platziert, dass sie durch die offene Tür immer wieder heimliche Blicke in seine Richtung werfen konnte. Er bemühte sich, es zu ignorieren. Er war derlei gewöhnt, auch wenn es früher, als er seine Haare noch lang und wellig getragen hatte, häufiger vorgekommen war.
»Und Ihr?«, brachte er nun das Gespräch auf Kramer. »Was führt Euch nach Nürnberg? Ihr seid auch auf dem Weg dorthin, vermute ich?«
Der Mönch nickte. »Richtig. Ich bin auf dem Weg dorthin, weil ich dem Stadtrat mein Werk vorstellen möchte.« Ein Schatten flog über seine Miene. »Vor zwei Jahren habe ich der Stadt eine eigens geschriebene Zusammenfassung davon geschenkt, aber nun ist mir zu Ohren gekommen, dass sie sie offenbar überhaupt nicht zur Rechtsprechung heranzieht.«
»Und nun wollt Ihr wissen, woran das liegt«, meinte Richard.
Der Mönch lächelte. Wie seine hellen Augen sah auch sein Lächeln kühl aus. »Ich vermute, dass einfach jemand dem Rat einmal deutlich sagen muss, wie groß die Gefahr ist, die den Menschen durch die Sekte der Hexen droht.«
Richard schluckte eine ärgerliche Erwiderung hinunter. »Und wer wäre besser dafür geeignet als der Verfasser des berühmten Hexenhammers persönlich?«, sagte er stattdessen.
Wenn Kramer den beißenen Spott bemerkt hatte, den er in seine Worte gelegt hatte, so ließ er es sich nicht anmerken. »Genau«, nickte er. Er wirkte zufrieden. Wie viele Männer von großer Frömmigkeit schien er völlig immun gegen Doppeldeutigkeiten jeglicher Art.
Während sie gesprochen hatten, hatte Richard die Hälfte des Bratens aufgegessen und auch die Scheibe Brot, die dabeigelegen hatte. Ein großer, grauer Hund war durch die Küchentür in die Schankstube getreten und hatte sich in sicherer Entfernung niedergelegt. Aufmerksam beobachtete er Richard, wohl in der Hoffnung, etwas von dem Fleisch könne für ihn abfallen.
Richard tat ihm den Gefallen. Mit dem Messer schnippte er den Restdes Bratens von seinem Teller zu Boden. Wie ein hungriger Wolf sprang der Hund auf, stürzte sich auf den Leckerbissen und schlang ihn mit einem einzigen Bissen hinunter. Hechelnd sah er Richard danach an.
»Mehr habe ich nicht«, sagte der.
Der Hund
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