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Madonna

Madonna

Titel: Madonna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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Jetzt, hier in Katharinas Küche, starrte Donatus auf seine Finger, weil dieselbe Scham, die er damals empfunden hatte, ihn wieder überkam. Mit viel mehr Kraft, als notwendig war, zerstampfte er die Hagebutten, die Katharina in die Schüssel auf seinem Schoß warf, zu Mus.
    Katharina fragte ihn nicht nach den Vorwürfen aus, die Rotgerber damals dazu getrieben hatten, ihn wie einen Hund in den Winter hinauszujagen. Besser, er respektierte im Gegenzug die kleinen und größeren Geheimnisse, die sie mit sich herumtrug.
    Eine Weile arbeiteten sie schweigend nebeneinanderher, doch in Donatus gärte es. Er spürte, dass etwas Katharina bedrückte, und zu gern hätte er ihr geholfen. Er musste an Dr. Spindler denken, an die langen Gespräche, die er vor seinem Rauswurf mit dem Priester geführt hatte, daran, wie der Mann ihm klargemacht hatte, dass es helfen konnte, sich das Leid von der Seele zu reden.
    Würde er Katharina helfen, wenn er sie dazu brachte, sich ihm zu offenbaren?
    »Trotzdem würde ich gern mehr über Egbert wissen«, wagte er zu sagen.
    Da ließ Katharina das kleine Messer sinken. »Du bist hartnäckig!«, beschwerte sie sich.
    Donatus hörte Spindlers ruhige Stimme. Beichten ist schmerzhaft, aber im Endeffekt immer heilsam.
    Er zuckte die Achseln, wappnete sich gegen sein eigenes Unbehagen. Katharina war eine gutherzige Frau, sie würde ihn auf keinen Fall einfach davonjagen, wie Rotgerber es getan hatte. Nein, sagte eine kleine gemeine Stimme ganz hinten in seinem Kopf. Das wird sie nicht, weil du so klug bist, ihr niemals zu erzählen, was Rotgerber dazu gebracht hat.
    »Du selbst hast ihn vorhin erwähnt«, sagte er vorsichtig. »Er ist jetzt wie lange tot?«
    »Im November sind es zwei Jahre.« Katharina bohrte die Nägel ihrer rechten Hand in das Fleisch ihrer Linken.
    Donatus sah es, er fühlte sich schuldig. Wie gern wäre er derjenige gewesen, der Katharina half, ihre Last zu tragen! »Hiltrud hat mir erzählt, dass er getötet wurde.«
    »Hiltrud redet zu viel«, murmelte Katharina.
    »Jeder in der Stadt redet.« Langsam wurde er sicherer. Sie hatte ihn bisher noch nicht zurechtgewiesen, vielleicht schaffte er es ja, dass sie sich ihm öffnete. »Die Leute tratschen eben gern.« Tief holte er Luft. »Stimmt es?« Er sprach noch immer von Egbert, und er sah ihr an, dass sie es wusste.
    Katharina kehrte die Augen gen Himmel, und er fragte sich, was sie wohl für Erinnerungen sah. Er hatte den Punkt, an dem er aufhören konnte, längst überschritten, also wappnete er sich.
    »Hiltrud meint, dass es Mord war«, sagte er leise. Gut erinnerte er sich daran, was er gedacht hatte, als die alte Frau ihm davon erzählte. Es wäre eine Erklärung gewesen für die Verzweiflung, die er manchmal in Katharinas Augen sehen konnte.
    Doch zu seiner Verblüffung schüttelte Katharina energisch den Kopf. »Nein!« Sie zögerte. »Es war kein Mord.«
    Die nächste Frage stellte Donatus, ohne darüber nachzudenken. »Ist er darum weggegangen?«
    Überrascht sah Katharina ihn an. »Wer?«
    »Na, dieser Sterner. Musste er wegen des Mordes fliehen?« Unwillkürlich hielt er den Atem an. Jetzt war er eindeutig zu weit gegangen, das spürte er, auch wenn sich auf Katharinas Miene keinerlei Regung abzeichnete. Ihr Blick wirkte leicht abwesend, völlig ohne Missbilligung. Aber dennoch kam sich Donatus vor, als stünde er einen Schritt vor einem tiefen Abgrund. Sein Blick fiel auf ihre Handgelenke, die sie wie stets sorgsam mit den Ärmeln ihres Kleides bedeckt hielt.
    »Es war kein Mord«, wiederholte sie. Ihre Stimme klang monoton. »Und er ist nicht geflohen, nein.«
    »Warum ist er dann fort?« Himmel, warum hörte er nicht einfach auf? Er konnte sehen, wie sehr seine Fragen sie quälten, und nun nützte es auch nichts mehr, sich Dr. Spindlers gute Ratschläge über die Beichte vor Augen zu halten. Er war schließlich kein Priester, wusste, dass er kein Recht zu dem hatte, was er hier tat, und er suchte verzweifelt nach einer Möglichkeit, aus dieser Situation wieder herauszukommen.
    Katharina kam ihm zuvor.
    »Schluss!« Energisch ließ sie ihre Hand auf den Tisch krachen. »Ich will nicht darüber reden! Verstanden?«
    Er nickte. »Ich bin auf deiner Seite«, erwiderte er leise.
    Sie sah ihn an. »Ich weiß. Und ich danke dir dafür.« Dann blickte sie aus dem Fenster. Draußen wurde es langsam hell. »Wir müssen los!« Sie legte ihr Messer beiseite und stellte die Schüssel mit den Hagebuttenkernen auf den Tisch.

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