Madonna
Zutaten, die sie in die Durchfallmedizin mischte, Mutterkümmel und Pfeffer, führten dem Körper ebenfalls Wärme und Trockenheit hinzu, folglich verstärkten sie die Übelkeit.
Trotzdem hatte sie sich dafür entschieden, Brunhild diese Medizin zu geben, denn der Durchfall bedrohte ihr Leben weitaus mehr als das Erbrechen. Das wusste Katharina aus den Schriften des Hippokrates, in denen dieser sich über den Durchfall ausgelassen hatte. Während sie das Ei auf der Kante einer kleinen Metallschale zerschlug und den Dotter vom Eiweiß trennte, rezitierte sie in Gedanken einige Lehrsätze des alten Meisters.
Jeder flüssige, wässrige Durchfall ist sehr schlimm, besonders, wenn die Kranken keinen Durst haben.
In allen hitzigen Krankheiten ist Durchfall schlimm, er wird aber tödlich, wenn Schlaflosigkeit und Kopfschmerzen hinzukommen.
Sie füllte den Eidotter zurück in die halbe Eierschale, und plötzlich schoss ihr ein Gedanke durch den Kopf.
Mitten in der Bewegung hielt sie inne. Sie drehte die halbe Eierschale ein wenig, so dass der Dotter darin hin und her schwappte. Dann hielt sie ihn dichter an ihre Lampe und betrachtete ihn. Er sah völlig gewöhnlichaus, gelb, von einer durchsichtigen Hülle umgeben, mit einem weißlichen Faden, der einer Nabelschnur ähnelte. Ein Dotter, wie sie in ihrem Leben schon Tausende gesehen hatte.
Was jedoch, wenn in diesem Dotter der Grund dafür steckte, warum Brunhild überhaupt krank war?
Der Gedanke kam so unvermittelt, dass Katharina die Eierschale sinken ließ und auf diese Weise den Dotter beinahe verschüttet hätte. Rasch nahm sie ein kleines Sieb und stellte die Schale hinein. Dann ging sie zurück in die Küche, zog sich einen Hocker heran und ließ sich darauf niederfallen.
»Das riecht aber würzig!«
Ein Mann betrat die Küche. Sein Name war Donatus, und er arbeitete als Bader für Katharina. Er war zwei Köpfe größer als Katharina und so breit, dass er fast quadratisch wirkte. Seine semmelblonden Haare hatte er kurzgeschnitten, so dass sie wie eine Bürste in die Höhe standen. Auf der rechten Seite bildeten sie einen Wirbel, den er auch mit noch so viel Sorgfalt und Wasser nicht glattzukämmen vermochte. Seine Augen lagen tief in dem runden Gesicht, und sowohl die Brauen als auch die Wimpern hatten dieselbe blonde Farbe wie sein Haupthaar. »Entschuldige«, sagte er mit einem schiefen Grinsen. »Ich wollte dich nicht erschrecken.« Er ging in die Apotheke und warf einen Blick in den Mörser. Trotz seiner massigen Gestalt bewegte er sich leichtfüßig, fast auf weibliche Art und Weise. »Was machst du hier mitten in der Nacht?«
Katharina rieb sich die müden Augen. »Eigentlich wollte ich Durchfallmedizin für Brunhild herstellen.«
Donatus griff nach dem Sieb mit der Eierschale und schwenkte es im Kreis. »Das hat die ganzen letzten Tage schon nicht gewirkt.«
»Ich weiß.« Sie unterdrückte ein Seufzen.
Donatus musterte sie aufmerksam. Ein weicher, mitleidiger Ausdruck erschien in seinen Augen. »Erzähl!«, sagte er schlicht, kam zu Katharina in die Küche und ließ sich ihr gegenüber auf die Bank sinken. »Was grübelst du?«
»Was«, meinte Katharina, »wenn wir mit unserer Medizin erst den Grund für Brunhilds Leiden schaffen?«
Wieder schaute Donatus auf den Eidotter. »Du meinst, irgendetwas, was sie zu essen bekommt, löst diese Krankheit aus?«
Katharina zuckte die Achseln. »Egbert hatte einmal einen Patienten, der Leibkrämpfe bekam, wenn er Kuhmilch trank. Nachdem er ihm empfahl, nur noch Mandelmilch zu sich zu nehmen, war sein Leiden wie weggeblasen. Was, wenn es hier ähnlich ist?«
Donatus schürzte die Lippen. Katharina sprach selten über ihren verstorbenen Mann, und als sie eben seinen Namen erwähnt hatte, war ein erstaunter Ausdruck auf dem Gesicht des Baders erschienen. »Milch ist nicht grundsätzlich schädlich«, sann er. »Nur wenn sie verdorben ist, macht sie Leibschmerzen.«
»Aber dieser Mann, von dem ich eben sprach, trank niemals verdorbene Milch, sondern frische. Dennoch machte sie ihn krank. Wir haben das untersucht: Dieselbe Milch, aus demselben Krug, war weder für Egbert noch für mich schädlich.«
Donatus schüttelte den Kopf. »Das ist doch Unsinn! Ich meine: Verdorbene Speisen schaden dem Körper. Gib einem Mann verdorbenes Fleisch, und er reihert genauso wie Brunhild oben in ihrer Kammer. Aber gute, gesunde Milch?«
Bei seinen Worten nickte Katharina sinnend. »Verdorben.« Donatus hatte genau das
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