Madonna
ausgesprochen, was sie selbst dachte. »Was, wenn die Eier verdorben sind?« Plötzlich war sie ganz aufgeregt. »Können wir nachsehen, was Brunhild gegessen hat, bevor sie krank wurde?«
Donatus zuckte die Achseln. »Natürlich.« Sie führten Buch über alles, was die Frauen zu essen bekamen. Er erhob sich und nahm ein großes Journal aus dem Regal, in das sie alle Einkäufe und jede Mahlzeit eintrugen, die sie an die Frauen verteilten. Mit einem Knall legte er es auf den Tisch und schlug es auf. Dann ging er die Eintragungen der letzten Tage durch.
»Hier.« Er tippte auf eine Stelle der langen, mit schwarzer Tinte geschriebenen Zeilen. »Brunhilds Krankheit ist am Dienstag ausgebrochen, oder?«
Katharina nickte.
»An diesem Tag hat Hiltrud ihr eine Eierspeise bereitet, weil sie über Zahnschmerzen geklagt hat und das Brot nicht beißen konnte.« Triumphierend schaute er von dem Journal auf. »Du hast recht!«
Katharina beugte sich ein wenig vor, doch sie konnte die enggeschriebenen Zeilen über Kopf nicht entziffern. »Gab es an diesem Tag für die anderen Frauen auch Eier?«
Wieder las Donatus. »Nein«, sagte er. Dann schüttelte er den Kopf, als könne er es nicht fassen. »Eier!«
»Wir müssen Brunhilds Medizin mit etwas anderem als Ei herstellen.« Katharina dachte an die Frau, die oben in ihrer Kammer im Sterben lag, und sie ahnte, dass ihre Erkenntnis – wenn sie sich denn als richtig erwies – wahrscheinlich zu spät käme. Sollte es tatsächlich stimmen, sollte Brunhild durch die Eier krank geworden sein, dann hatte sie, Katharina, ihr Leiden durch die Medizin noch verschlimmert. Womöglich war sie gar am Sterben Brunhilds schuld!
Sie zwang sich, diese Gedanken zur Seite zu schieben. Es brachte nichts, sich Vorwürfe über eine falsche Behandlung zu machen, das hatte sie von ihrem Mann gelernt. Ihre Pflicht war es, aus Fehlern zu lernen und sie für die Zukunft zu vermeiden.
»Was schlägst du vor?« Donatus’ Stimme riss sie aus ihren Gedanken.
»Bei der Zubereitung der Medizin geht es um die Zuführung von Hitze und Feuchtigkeit«, erklärte sie ihm. »Darum lässt man das Ei über dem Wasser stocken.«
»Rindfleisch«, schlug Donatus vor. »Es ist heiß.«
Katharina schüttelte den Kopf. »Aber trocken, also feurig.«
»Was, wenn wir es in Wasser kochen?«
Katharina war sich nicht ganz sicher, ob es funktionieren würde, aber ihr wollte auch kein anderer Einfall kommen. »Wir sollten es versuchen«, meinte sie darum. Ihr Blick wanderte zu dem kleinen Fenster über dem Tisch.
Draußen war es noch immer dunkel. Sie hatten kein Rindfleisch im Haus, also würden sie warten müssen, bis die Sonne aufging und die Marktstände eröffneten.
Sie vertrieben sich die Zeit damit, Hagebutten, die Katharina am Tage zuvor gepflückt hatte, von ihren Kernen zu befreien und Mus daraus herzustellen. Während Katharina mit einem kleinen Messer die roten Früchte aufschnitt und sie von ihren pelzigen Kernen befreite, zerstampfte Donatus die entkernten Früchte in einer Schüssel zu einer weichen Masse.
Er spürte, dass Katharina dankbar war für seine Gesellschaft. Als er die Küche betreten hatte, hatte sie sehr einsam gewirkt. Vor allem aber auf diese spezielle Weise zerbrechlich, die sie manchmal an den Taglegte und die er sich nicht so recht zu erklären wusste. Zuweilen, wenn sich Falten in ihre Stirn gruben und ihre Miene wie schmerzverzerrt wirkte, glaubte er, dass sie irgendeine schwere Krankheit vor ihm verbarg. Dann wieder, an anderen Tagen, war sie so gelöst und unbeschwert, dass er fast glaubte, sich die düsteren Momente nur einzubilden. Er hatte bereits mehrfach Anlauf genommen, sie nach diesen Schwankungen zu fragen, aber bisher hatte er es nie gewagt. Katharina hatte ihn aufgenommen, als er am Boden gewesen war, sie gab ihm Arbeit und Essen und ein Dach über dem Kopf. Er fürchtete, sich ihr Wohlwollen zu verscherzen, wenn er allzu neugierig ihre Geheimnisse zu ergründen versuchte.
Dennoch wurde ihm das lastende Schweigen, das die nächtliche Küche bis unter die niedrige Decke füllte, irgendwann unangenehm. »Dein Mann …«, begann er zögerlich.
Katharina seufzte. »Ich hätte ihn besser nicht erwähnen sollen, oder?« In ihrer Stimme schwang etwas, ein Zittern, das Donatus sich ebenso wenig erklären konnte wie ihre Zerbrechlichkeit. Sie trauerte längst nicht mehr um Egbert Jacob, das wusste er. Doch da war etwas in ihrem Blick, etwas, das sich seiner Meinung nach mit
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