Madonna
was sie sagte.
Er widersprach nicht. Seinen alten Mantel hatte er verkauft und gegen einen billigeren getauscht, um wenigstens noch ein paar Tage etwas zu essen zu haben. Die Haare hatte er sich selbst so kurz wie möglich geschoren, um besser vor Läusen und anderem Ungeziefer gefeit zu sein, aber das hatte nichts genützt gegen den grindigen Ausschlag, den er sich irgendwo eingefangen hatte und der seine gesamte Kopfhaut jucken ließ. Er hatte abgenommen, ein übler Dauerschnupfen plagte ihn, rötete seine Augen und ließ seine Nase in einem fort laufen.
»Jetzt siehste mich wohl mit anderen Augen«, fuhr Mina fort. »Nicht wahr?«
Donatus musterte sie. Sie trug noch immer dasselbe blaue Kleid, obwohl inzwischen der Frühling und auch der Sommer ins Land gegangen waren. Das Parfüm schien ihr ausgegangen zu sein, denn sie roch jetzt nicht mehr nach Blumen und Obst. Allerdings vermochte er auch den anderen Geruch, den üblen, an ihr nun nicht mehr wahrzunehmen, und ihm war klar, woran das lag. Er selbst roch nun ebenso.
Er schluckte schwer. »Ich will nach wie vor nicht mit dir …«
Sie stemmte die Hände in die Hüften und warf lachend den Kopf in den Nacken. »Denkste, ich wüsste nicht längst, dass du keine Frauen … Egal!« Sie winkte ab.
Er kratzte sich am Kopf. »Als wir uns das letzte Mal trafen … ich habe dich nicht … verachtet.« Er zögerte, das letzte Wort auszusprechen, denn er war sich nicht sicher, ob sie ihn der Lüge bezichtigen würde.
Doch zu seiner Überraschung nickte sie. »Ich weiß. Was hast du nun vor?«
Er zuckte die Achseln. »In dem Beruf, den ich beherrsche, will mich niemand.«
Im Spittlertorviertel war es ein offenes Geheimnis, dass er noch immer versuchte, eine Anstellung als Bader zu finden. Viele machtensich darüber lustig, etliche davon nicht einmal hinter vorgehaltener Hand.
Mina nicht. »Ich kenne jemanden«, meinte sie.
Donatus wehrte sich gegen den Funken Hoffnung, der in ihm keimte. In den letzten Monaten war er so oft voller Hoffnung gewesen und so oft enttäuscht worden. Noch einmal hätte er das nicht ausgehalten.
Mina lächelte. »Eine Frau. Sie besitzt ein Haus an der Frauentormauer.«
Er wartete, bis sie weitersprach.
»Ich kenne sie schon länger, sie hat mir mal geholfen …« Mit den Händen deutete sie einen dicken Bauch an. Verlegen biss sie sich dabei auf die Unterlippe.
»Ich gehe zu keiner Engelmacherin!«, wehrte er ab. »Lieber gehe ich betteln.«
Sie musterte ihn amüsiert. »Wie du aussiehst, bleibt dir nicht mehr viel übrig. Nein, Katharina ist keine Engelmacherin. Du hast mich falsch verstanden.«
Nach einigem Zaudern hatte er eingewilligt, diese Frau zu treffen. Und so hatte er Katharina Jacob kennengelernt. Sie hatte ihn bei sich aufgenommen, ohne Wenn und Aber. Sie hatte sich um seinen Ausschlag gekümmert und auch um seinen Schnupfen, der unter ihren fachkundigen Händen schnell besser geworden war. Und dann, als er wieder gesund war, hatte sie ihm Arbeit gegeben. Arbeit als Bader, die ihm Tag für Tag half, die furchtbaren Erinnerungen, die ihn mit Kilian verbanden, zu vergessen. Nur des Nachts wachte er manchmal auf, wenn Kilians bleiches Gesicht mit den blauen Lippen ihm im Traum erschienen war. Dann lag er meistens lange wach und fragte sich, womit er Katharinas Mildtätigkeit verdient hatte.
Katharina sah die verschiedensten Gefühle sich auf Donatus’ Gesicht abzeichnen, und sie ahnte, dass er in Gedanken in seiner eigenen Vergangenheit weilte. Die Neugier, zu erfahren, was er erlebt hatte, bevor Mina ihn gegen Ende des Sommers zu ihr gebracht hatte, wuchs, aber sie schob sie zur Seite. Eines nach dem anderen!
Sie blickte Tobias an, der dastand und sich nicht rührte. Sie selbst würde ihn ins Fischerhaus bringen müssen, das war nach seiner Reaktionauf Donatus mehr als deutlich. Sie unterdrückte ein Seufzen. Gertrud und ihre Eier würden ebenso warten müssen wie das Rindfleisch für Brunhilds Medizin.
»Was ist ihm geschehen?«, fragte sie Öllinger.
Donatus schien die Antwort auf diese Frage ebenso brennend zu interessieren wie sie selbst. Mit zusammengekniffenen Augenbrauen starrte er den Apotheker an.
Der wich ihnen aus. »Er war meiner Meinung nach dicht davor, in die Pegnitz zu springen«, erklärte er. »Ich dachte mir, Ihr wüsstet vielleicht am besten, wie man mit so was umgeht.«
Katharina hakte nach. »Was meint Ihr mit so was ?«
»Ich weiß es nicht genau«, sagte er mit einer Miene, die Befangenheit
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