Madonna
diesem Haus niemand unter dreißig«, lächelte sie. »Ist das zu glauben?«
»Donatus«, murmelte er.
Sie sah Tobias in die Augen, und dann begriff sie, was ihn umtrieb. Sie ging zu dem schmalen Bett, das die gesamte linke Wand der Kammer einnahm, und setzte sich darauf. »Du willst wissen, ob er gefährlich für dich ist, nicht wahr?«
Tobias blieb mitten im Raum stehen. Sorgsam sah er sich um, betrachtete das Bett, die Truhe, den einzelnen Stuhl, das Waschgeschirr, das unbenutzt und ein wenig verstaubt in der Ecke neben dem kleinen Dachfenster stand. Erst dann kehrte sein Blick zu Katharina zurück, und er nickte.
»Das ist er nicht!« Sie sagte es mit allem Nachdruck, zu dem sie fähig war. »Er ist ein bisschen schroff und manchmal auch ziemlich frech.« Sie lachte, um ihren Worten das Bedrohliche zu nehmen.
Arnulfs vielsagender Blick kam ihr in den Sinn, mit dem er sie bedacht hatte, als er Donatus befahl, sich wie ein Mann zu benehmen, und sie verdrängte die Erinnerung rasch. »Aber er ist nur zu mir schroff, glaub mir! Er wird dir nichts tun.«
Tobias’ Blick huschte zu der Tür und dem schweren Eisenschloss daran.
Katharina unterdrückte ein Seufzen. »Es gibt leider keinen Schlüssel dafür. Mein Mann hat dieses Haus gekauft, und der Verkäufer lebte damals schon lange nicht mehr hier. Da müssen die ganzen Schlüssel für hier drinnen irgendwann verlorengegangen sein.«
Tobias schaute auf den Stuhl.
»Ja«, meinte Katharina. »Den kannst du unter die Klinke schieben, wenn du dich unsicher fühlst.« Sie erhob sich wieder. »Jetzt muss ich dich leider allein lassen. Ich muss unbedingt zum Markt und etwas Wichtiges erledigen.« Sie trat zur Tür.
Tobias stand noch immer regungslos in der Mitte des Raumes.
»Ich nehme Donatus mit zum Markt«, erklärte sie. »Du musst dich also nicht fürchten. Hier bist du ganz und gar sicher!«
Als er darauf nicht reagierte, wandte sie sich zum Gehen.
Sie hatte die Treppe schon halb überwunden, als sie oben in Tobias’ Zimmer die Stuhlbeine über den Boden scharren hörte.
Nachdenklich biss sie sich auf die Unterlippe.
Am liebsten wäre sie bei ihm geblieben, aber das war nicht möglich. Sie musste sich um Brunhild und die Medizin für sie kümmern. Siemusste mit Donatus reden. Und es wurde Zeit, dass sie endlich auf den Markt kam.
Als sie aus dem Haus wieder auf die Gasse trat, kam ihr Bader gerade mit einem Arm voll frischem Brennholz aus dem Hinterhof. »Ich bringe das nur eben rein«, sagte er, rührte sich aber nicht von der Stelle.
Katharina nickte. Es war eine seltsame Situation, denn sie wussten beide, dass sie sich an einem Punkt befanden, an dem sie sich entscheiden mussten. Ich bin auf deiner Seite, hatte Donatus vorhin zu ihr gesagt, und sie war ihm ausgewichen. Ihr war klar, dass er das beim nächsten Mal nicht mehr zulassen würde, wenn sie ihn jetzt das fragte, was ihr auf der Seele brannte. Dennoch gab es keinen anderen Weg.
»Stimmt es«, setzte sie vorsichtig an, »dass du …« Sie brach ab. Es war unmöglich, es auszusprechen.
Donatus umklammerte das Brennholz, als könne es ihn davor bewahren, sich in Luft aufzulösen. Selbst schuld!, schalt er sich. Warum hast du sie vorhin derart in die Enge getrieben mit deiner dämlichen Fragerei nach Egbert und diesem Richard Sterner? Jetzt sieh zu, wie du ungeschoren aus diesem Schlamassel wieder herauskommst!
Katharina sah sich um, ob jemand in der Nähe war, der sie belauschen konnte, doch zu dieser frühen Stunde waren sie allein vor dem Fischerhaus.
Einen Moment lang schwiegen sie beide. Endlich fasste Donatus einen Entschluss. Besser, er beendete dieses Schauspiel hier und jetzt, als sich weiter wie auf rohen Eiern zu bewegen!
»Dir ist klar«, begann er und räusperte sich heftig, »was dieser Nachtrabe vorhin angedeutet hat. Über mich. Oder?« Er sprach mit langen Pausen zwischen den einzelnen Sätzen.
Katharina antwortete nicht sofort. Dann nickte sie.
In Donatus’ Geist hallte die Erinnerung an die Anschuldigung nach, die sein gesamtes Leben über den Haufen geworfen hatte.
Dieser Bader ist ein sodomitischer Bastard!
Donatus konnte die sich überschlagende Stimme Rotgerbers hören. Er schloss die Augen, wartete darauf, dass Katharina es ebenfalls aussprach und damit auch dieses, sein neues Leben beendete.
»Donatus …« Ihre Stimme war nur ein Hauch.
Er öffnete die Augen wieder. »Sprich es ruhig aus«, sagte er tonlos.
Doch sie schüttelte den Kopf. In ihren schmalen
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