Madonna
Zügen arbeitete es heftig, ihre rauchblauen Augen hatten sich verdunkelt, und er vermochte nicht zu sagen, ob aus Ärger oder vor Entsetzen.
»Knabenliebe«, flüsterte er. Er konnte es einfach nicht Sodomie nennen, es klang so nach ewiger Verdammnis. »Das ist die Begründung, mit der sie mich davongejagt haben.« Die ganze Geschichte drängte sich auf seiner Zunge zusammen, er verspürte den Wunsch, sich Katharina vollständig zu offenbaren, ihr alles zu erzählen, doch er konnte es nicht. Das Bild von Kilians blassem Gesicht tauchte vor seinem inneren Auge auf. Vergib mir, heilige Mutter Gottes! Ihm war, als habe sich eine kalte Hand um seinen Hals gelegt und drücke ihm langsam die Luft ab. Eine Hündin mit mehreren ausgemergelten Welpen im Schlepptau schlich um die Ecke und schenkte ihnen nicht die geringste Beachtung.
Katharina öffnete den Mund.
Der Boden unter seinen Füßen begann zu schwanken. »Was wirst du jetzt tun?«, versuchte er, der furchtbaren Frage zuvorzukommen.
Sie zuckte die Achseln. Sie wirkte in diesem Moment alles andere als unerschrocken, ganz im Gegenteil. Was hatte dieser Nachtrabe gesagt? Er vermutete, dass Konrad Rotgerber es auf Katharina abgesehen hatte. Seinetwegen?
»Wenn du willst«, sagte er leise, »dann verlasse ich noch heute dein Haus. Ich will nicht, dass du meinetwegen in Schwierigkeiten gerätst.«
Katharinas Schultern strafften sich. Ihr Kinn hob sich ein Stück, und ein Funkeln erschien in ihren Augen. »Ist das nicht ein bisschen scheinheilig?«, gab sie zurück. »Ich meine, bevor ich es eben erfahren habe, hat es dich auch nicht gekümmert, ob ich deinetwegen in Schwierigkeiten komme. Was ist jetzt anders? Außer, dass ich es weiß?«
Er hatte keine Ahnung, was er darauf erwidern sollte. Natürlich hatte sie recht. Er war selbstsüchtig gewesen, als er ihr gestattet hatte, ihn bei sich aufzunehmen. Sein Brustkorb krampfte sich zusammen. Er wollte ihr versichern, dass Rotgerbers Anschuldigung, er habe die Todsünde der Unzucht betrieben, der Grundlage entbehrte.
Aber er tat es nicht. Es wäre eine Lüge gewesen.
Stattdessen trat er einen Schritt zurück.
Sie senkte den Blick. Mit dem Daumen wies sie über die Schulter auf das Fischerhaus. »Da drinnen wohnen Frauen, von denen die Leute denken, sie seien besessen.«
Unsicher, was sie ihm damit sagen wollte, sah er sie an.
»Ich behandle die Armen aus den Gossen und die Huren auf den Straßen. Was glaubst du, was die Leute über mich reden?«
Er verstand. Er nickte. »Lass mir eine Stunde Zeit, meine Sachen zu packen.«
Da lachte sie auf, ein hässliches, gleichzeitig zorniges und unendlich trauriges Geräusch. »Dummkopf! Ich will nicht, dass du gehst. Du bist ein guter Bader!«
Es dauerte einen Moment, bis ihre Worte seinen Verstand erreichten, und noch einen, bis er ihnen Glauben schenken konnte. »Bist du sicher?« Ein Glücksgefühl durchströmte ihn, das ihm fast pervers vorkam. Er klammerte sich daran wie an das Brennholz.
Sie nickte.
»Du …« Er wusste nicht, wie er seine Gefühle in Worte fassen sollte. Da waren Erleichterung, Freude, Jubel gar, und eine tiefe Bewunderung für Katharina. Er spürte, wie ihm Tränen in die Augen schossen. »Du bist eine Heilige, weißt du das?«, murmelte er.
»Unsinn!«, schimpfte sie. Dann deutete sie auf das Brennholz in seinen Armen. »Bring das rein. Und dann sollten wir sehen, dass wir endlich loskommen!« Ihre Stimme klang barsch.
Rasch kam Donatus ihrer Aufforderung nach. Er trug das Brennholz in die Küche, und als er wieder nach draußen auf die Gasse trat, hatte Katharina sich keinen Fingerbreit gerührt. »Du scherst dich nicht allzu viel darum, was die Leute von dir denken, oder?«, fragte er.
Die Hündin kam zurück, diesmal ohne ihre Welpen. Und diesmal warf sie Katharina einen Blick zu, als wollte sie sich ein Urteil über sie bilden. »Sie denken sowieso nichts Gutes, egal, was ich tue oder lasse.«
Donatus wollte widersprechen, aber dann dachte er, dass es für den Augenblick genug war. »Ich gehe und kümmere mich um das Rindfleisch«, sagte er. »Schlag du Gertrud deine Vorwürfe um die Ohren. Wir treffen uns auf dem Refmarkt, ja?«
Die Leute dachten sowieso nichts Gutes von ihr, egal, was sie tat oder ließ.
Mit diesem Gedanken beschloss Katharina, fürs Erste jedenfalls, das Grübeln sein zu lassen und endlich ihr Tagwerk in Angriff zu nehmen. Donatus hatte ganz recht: Sie musste zusehen, dass sie auf den Markt kam!
Also schob sie
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