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Madonna

Madonna

Titel: Madonna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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ertönten auf der Treppe, Schritte von zwei Paar Füßen.
    Erleichterung erfasste Katharina. »Sie kommen, Brunhild!«, murmelte sie. Ihr Blick fiel auf Brunhilds Gesicht, und genau in dem Moment, in dem die Kammertür aufflog, mit einem Krachen gegen die Wand schwang und Donatus gefolgt von einem abgehetzt aussehenden Priester hereinkam, begriff Katharina, dass es zu spät war.
    Brunhild war ohne priesterlichen Beistand gestorben.
    Mit einer behutsam anmutenden Geste zeichnete Dr. Spindler der Toten ein Kreuz auf die Stirn. Das Öl, das er dazu benutzte, roch schwach nach irgendeinem Kraut, das Katharina jedoch nicht einzuordnen wusste.
    Dann ließ der Priester sich auf die Knie sinken. »Requiem aeternam dona eis, Domine«, murmelte er.
    Donatus, der bei der Tür stand, zögerte, doch als Spindler ihm einen auffordernden Blick zuwarf, trat er näher an das Bett. Anders als der Priester blieb er stehen, doch er faltete die Hände. Und dann fiel er in das Gebet ein, das der Priester nun fortsetzte. »Et lux perpetua luceat eis. Te decet hymnus, Deus, in Sion, et tibi reddetur votum in Jerusalem: exaudi orationem meam, ad te omnis caro veniet. Requiem aeternam dona eis, Domine.«
    Katharina konnte genügend Latein, um Teile davon zu verstehen. Gib ihnen die ewige Ruhe, Herr. Sie unterdrückte ein Zähneknirschen, als sie an die Angst dachte, die Brunhild empfunden hatte, kurz bevor der Tod sie mit sich genommen hatte.
    »Wo ist sie jetzt?«, fragte sie leise, als Spindler die letzten Worte des Gebets gesprochen hatte.
    Fragend wandte er ihr das Gesicht zu. Er hatte dunkelbraune Augen, die sie spontan an die von Richard erinnerten. Auch in ihnen standen Schmerz und Trauer.
    »Sie hatte solche Angst«, erklärte Katharina. »Weil Ihr nicht rechtzeitig da wart.«
    »Ja, das ist bedauerlich«, sagte Spindler. »Wir haben zurzeit in Heilig-Geist einen Priester zu wenig.« Mit diesen Worten erhob er sich. Er bewegte sich mühsam, und Katharina erinnerte sich daran, dass er Schmerzen in der Hüfte hatte. Sein Blick fiel auf die tote Brunhild. »Sie hat nicht viel zu befürchten gehabt«, sagte er. »Sie war eine gottesfürchtige Frau, die die Stellung, die der Herr ihr bestimmte, mit Demut und stiller Freude eingenommen hat.«
    Katharina nickte. Obwohl sie Spindler mochte, teilte sie seine Meinung nicht. »Aber trotzdem hatte sie Angst vor dem Feuer.«
    »Das Feuer!« Spindler rieb sich die Stirn. »Natürlich.«
    Er schwieg, und Katharina rang um die passenden Worte. »Erklärt es mir!«, flüsterte sie endlich.
    Wieder schaute er fragend.
    »Warum muss eine Frau wie sie die Feuer der Hölle fürchten? Sie hat gottgefällig gelebt, sie hat …«
    »Sie ist sündig gewesen, wie wir alle«, fiel Spindler ihr ins Wort. »Sie wurde in Sünde geboren, und in Sünde ist sie gestorben. Aber Ihr müsst Euch nicht sorgen, sie wird nicht lange in den Feuern brennen. Die übrigens nicht die Feuer der Hölle sind, sondern die des Purgatoriums.«
    Das Purgatorium. Das Fegefeuer.
    Katharina unterdrückte ein Schaudern.
    »Das Fegefeuer dient dazu, die Sünden der Menschen fortzubrennen, so dass sie geläutert in den Himmel aufsteigen können.«
    Katharina hatte den Eindruck, dass der Priester mit dieser Tatsache ebenso haderte wie sie selbst. Doch dann blinzelte er einmal, zweimal, und der Eindruck verflog.
    »Sie hat nicht gesündigt!« Katharina schüttelte den Kopf. »Sie hat die Krankensalbung erhalten und dabei gebeichtet. Sie hat in diesem Bett gelegen, tagelang. Sie konnte nicht sündigen, warum ist sie also nicht im Zustand der Reinheit gestorben?«
    »Der Mensch sündigt mit jedem Atemzug«, sagte Spindler sanft. »Er sündigt von dem Moment an, in dem er morgens die Augen aufschlägt,bis zu dem, in dem er sich abends niederlegt.« Er seufzte, als trüge er eine schwere Last auf sich. »Und er sündigt sogar im Schlaf, fürchte ich.«
    Katharina dachte an Richards Atem an ihrer Schläfe und spürte Verunsicherung. Sie wusste, dass der Priester recht hatte, sie konnte es fühlen, wenn sie nach einem solchen Traum aufwachte und sich elend fühlte. Dann lastete die Schuld der Sünde wie ein Gewicht auf ihr.
    Sie schluckte.
    Sanft legte Spindler eine Hand auf ihren Unterarm. »Ihr fürchtet um Euer eigenes Seelenheil, nicht wahr?«
    Katharina unterdrückte ein bitteres Auflachen. Er musste das denken. Er hatte keine Ahnung davon, dass sie schon mit der Lehre seiner Kirche haderte, seitdem die melancholia sie überkommen

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