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Madrapour - Merle, R: Madrapour

Madrapour - Merle, R: Madrapour

Titel: Madrapour - Merle, R: Madrapour Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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Oh, ich binnicht wie Caramans, ich verstehe, was das bedeutet! Ich begreife auch, daß damit nichts gelöst wird. Sich vom
Rad der Zeit
losreißen? Ja! aber mit welchem Ziel? So nichtig das Leben sein mag, ist es doch mehr als diese Nicht-Existenz, nach der der Inder sich sehnte.
    Ebenso ist es ein Traum, in 10   000 Meter Höhe und bei minus 55 Grad in den Wolken baden zu wollen. Eine Flucht, nicht mehr. Vogel Strauß mit dem Kopf im Sand oder mein Blick durch das Kabinenfenster, der mir ersparen soll, Bouchoix’ Agonie mit anzusehen, also meine eigene.
    Doch hier sind wir sowieso
, und wenn ich auch den Blick abwende, bleibt trotzdem mein geschwächter Körper in den Sessel gezwängt, wittert meine Nase den faden, süßlichen, penetranten Geruch des Todes. Ich weiß nicht einmal, ob er von diesem halben Leichnam ausgeht, der sich da vor uns noch bewegt mit jenem Röcheln, das den Atem karikiert, und jenen Zuckungen, die die Gebärden karikieren, als ob sich das Leben im Entschwinden selbst parodierte. Aber dieser Geruch ist da, so stark, daß er mühelos das billige Parfum von Chrestopoulos verdrängt oder das Toilettenwasser von Guerlain, das Mrs. Boyd dem Sterbenden verweigert hat und mit dem sie sich benetzt, nachdem sie ihre Augen geschlossen und ihre Ohren zugestopft hat. Ah, Mrs. Boyd, Sie sollten sich auch die Nase zustopfen! Ungeachtet Ihres lockenbewehrten Kopfes, Ihrer Krokodilledertasche und Ihres gepanzerten Herzens findet sich immer noch eine Lücke, durch die der Tod sich Zugang verschaffen kann.
     
    Im Himmel die Sonne hinter einem Horizont von Wolken untergehen zu sehen ist nicht minder beunruhigend als auf der Erde hinter einem Hügel. Als sie endgültig untertaucht, zieht sich mir das Herz zusammen bei dem Gedanken, wie wenig Untergänge wir noch erleben werden, wir, die Passagiere.
    Es ist soweit, sie hat keine Spur hinterlassen. Sie ist sehr schnell verschwunden, düster bricht die Nacht herein mit der Erinnerung an den Vortag. Ja, an den Vortag, und der scheint so weit zurückzuliegen! Michou erwartete in der Touristenklasse bei einem letzten fiebrigen Spiel mit Manzoni ihre Hinrichtung: die allem Leben innewohnende Unrast unheilvoll zusammengedrängt. Schnell! Schnell! Ein kurzes Aufzucken! Eine Sekunde Glück! Und es ist vorbei.
    Schweigen, ganz plötzlich. Und in dieses Schweigen bricht eine schwache, tonlose Stimme hinein.
    »Ich glaube, er ist tot.«
    Ich hätte Pacauds Stimme nicht erkannt, und doch ist er es, der gesprochen hat und der uns hilfesuchend seinen kahlen Schädel, seine hervorquellenden großen Augen, seine ordinäre Nase und seine gütigen, lüsternen Lippen zuwendet. Er hält noch das schmutzige Taschentuch in den Händen, mit dem er Bouchoix’ Stirn und Lippen abgewischt hatte. Und von Bouchoix selbst hört man keinen Ton mehr. Er scheint zu schlafen, seine skeletthaften Hände liegen ausgestreckt auf der Decke, der Kopf ruht seitlich auf der Rückenlehne und schwankt nun nicht mehr zwischen der linken und der rechten Seite.
    »Tot?« fragt Blavatski laut mit rauher, aggressiver Stimme. »Woher wissen Sie, daß er tot ist? Sind Sie Arzt?«
    »Aber er bewegt sich nicht mehr, er atmet nicht mehr«, antwortet Pacaud, dessen hervorquellende Augen trotz allem eine gewisse Hoffnung verraten.
    »Woher wissen Sie, daß er nicht mehr atmet?« fährt Blavatski fort, das breite Kinn kampflustig vorgeschoben. »Im übrigen ist das Atmen nicht unbedingt das Kriterium des Lebens«, ergänzt er mit erstaunlicher Spitzfindigkeit. »In den Reanimationszentren gibt es Leute, die unter dem Apparat atmen und trotzdem mausetot sind, da ihr Gehirn nicht mehr arbeitet.«
    »Aber wir sind hier nicht im Krankenhaus«, wirft Caramans verdrossen ein. »Und wir haben keine Möglichkeit, ein Enzephalogramm zu machen.« Mit einem Unterton der Zurechtweisung fügt er hinzu: »Wir könnten wenigstens sein Herz abhören.«
    Anfangs werden schüchtern noch Blicke getauscht, einige Sekunden später gibt es gar keine Blicke mehr. Niemand ist bereit, Bouchoix das Herz abzuhören, auch Caramans nicht. Nicht einmal Pacaud. Aber Pacaud, das muß man ihm zugute halten, will seine Befürchtung nicht gegen eine Gewißheit eintauschen.
    Obwohl Mrs. Boyd weder Ohren noch Augen hat, muß sie die Veränderung der Situation bemerkt haben, denn sie schlägt die Lider auf, sieht Bouchoix an und zieht vorsichtig ihre Bällchen aus den Ohren, bereit, sie beim geringsten Alarmsignal wieder hineinzustopfen.
    »Was ist

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