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Madrapour - Merle, R: Madrapour

Madrapour - Merle, R: Madrapour

Titel: Madrapour - Merle, R: Madrapour Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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Antwort.
    »Ich weiß nicht«, sagt er. »Ich bin nicht sicher, alle meine Gründe zu verstehen. Möglich, daß ich meiner Angst aus eigener Kraft gegenübertreten will.«
    »Aber ist das nicht ein überflüssiger Heroismus? Zumal bei Ihnen, da für Sie der Ausgang dieses Abenteuers feststeht?«
    »Das sage ich mir auch.«
    »Und?«
    »Ich habe einen starken Hang zum Narzißmus. Vielleicht liegt in meiner Weigerung eine gewisse Koketterie.«
    »Das würde heißen, Sie messen der Wirkung auf die anderen eine viel zu hohe Bedeutung bei?«
    »Ja, Sie haben recht.« Er überlegt einen Augenblick und fügt hinzu: »Vielleicht will ich auch nur die Geschenke des BODENS zurückweisen.«
    Er begleitet das Wort »Geschenke« mit einem höhnischen Lächeln.
    Die Murzec, die aus dem Cockpit zurückgekehrt ist und gefügig ihr Dragee entgegengenommen hat, sieht uns so entrüstet an, daß ich einer Moralpredigt aus dem Wege gehen will und das Gespräch abbreche. Es hat mich außerdem erschöpft. Bei aller Klarheit der Gedanken fällt mir das Sprechen nicht leicht.
    Was ich jetzt noch erzählen will, spielt sich irgendwann am Nachmittag ab. Die Sonne war gleich nach Tagesanbruch hinter den Wolken verschwunden, und »Nachmittag« sage ich,weil es »eine Weile« her ist, seit die Stewardess uns eine Mahlzeit gebracht und die Tabletts weggeräumt hat.
    Woher die Stewardess weiß, wann sie uns etwas zu essen geben soll, weiß ich nicht. Sofern ihr nicht, wie ich schon vermutet habe, die Anweisung vom BODEN gegeben wird. Jedenfalls sind – außer dem Stand der Sonne – die Mahlzeiten unsere einzigen Möglichkeiten, die Zeit einzuteilen. Vielleicht sind das falsche Anhaltspunkte: wenn ich Appetit hätte, könnte ich es besser beurteilen. Aber ich bekomme nichts hinunter. Es ist ein Teufelskreis: ich fühle mich zu schwach, um zu essen, und je weniger ich esse, um so mehr schwinden meine Kräfte.
    Ich weiß, daß meine Kräfte schwinden, doch dank dem Oniril spüre ich es nicht. Für uns zählt bekanntlich weniger die Krankheit, an der wir leiden, als die Vorstellung, die wir von ihr haben. Insofern ist die Wirkung des Onirils wirklich unübertrefflich. Es versetzt uns in eine glückliche Sorglosigkeit, wo wir nur im gegenwärtigen Augenblick leben und der Gedanke an die Zukunft uns nicht im geringsten berührt.
    Gewöhnlich begnügt sich das
Rad der Zeit
nicht, sich einfach zu drehen und uns in seiner Kreisbahn mitzureißen. Es ist gezahnt und zerrt uns endlos von Sorge zu Sorge. Man lebt nicht. Man rotiert pausenlos in denselben Ängsten und in denselben Zwangsvorstellungen. Außer im zartesten Alter lastet die Zukunft auf unserer Gegenwart, zerrt sie in ihren Strudel und erstickt sie.
    Deshalb macht uns das Oniril so beschwingt. Wir verdanken ihm den Eindruck – und dieser Eindruck ist wahr, weil wir ihn so erleben –, daß das
Rad
stillsteht und uns in der Gegenwart leben läßt, herausgelöst aus der Kreisbewegung, die uns zur Verzweiflung bringt.
    So brauchen uns die Stunden wenig zu kümmern, und ob sie uns dem Ende, das Robbie für alle vorausgesagt hat, näher bringen oder nicht. Nur das
Rad
ist unerbittlich. Losgelöst von ihm, spüren wir nicht, daß die Zeit verrinnt und daß das gefürchtete Ende Zahn um Zahn auf uns zurückt.
    Ich messe die Zeit jetzt einzig an den einprägsamen Augenblicken meiner Sensibilität. Vielleicht ist der Plural zu hochtrabend, und vielleicht ist der Augenblick, den ich erlebe, der letzte, ich weiß es nicht. Auch wenn es so ist, spüre ich es nicht. Mir will scheinen – wie den heranwachsenden Jungen,wenn die Lebenssäfte in ihnen gären –, ich könnte noch über unermeßliche Möglichkeiten verfügen. Es ist mir gleichgültig, ob meine Empfindung mit Illusionen beladen ist. Entscheidend ist, daß ich diese Empfindung habe.
    Aus eigenem Antrieb, ohne daß mein Blick oder mein stummes Flehen sie gerufen hätte, ergreift die Stewardess meine Hand, und ich spüre zu meiner unbeschreiblichen Freude, daß sie mir wieder nahe ist. Ihre Finger leben und verraten mir wie zuvor Zärtlichkeit und Komplizenschaft. Ich wende ihr den Kopf zu. Ich begegne wieder ihren grünen Augen, die die Gemütsbewegung dunkler zu machen scheint. Es springt wie eine Flut in mir auf. Ich fühle mich über alle Maßen glücklich.
    Da sie weiß, wie schwer mir jede Anstrengung fällt, beugt sie ihren Kopf so weit zu mir herüber, daß sie fast mein Gesicht berührt, und ich frage sie leise: »Mrs. Boyd hat gesehen, wie

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