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Madrapour - Merle, R: Madrapour

Madrapour - Merle, R: Madrapour

Titel: Madrapour - Merle, R: Madrapour Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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Robbie, wollen Sie nicht von Ihrem Platz aus meine Gebete in Gedanken begleiten?«
    »Gern, Madame«, antwortet Robbie.
    Die Murzec verschwindet hinter dem Vorhang, und Robbiesagt sehr leise, aber mit dem Schimmer eines Lächelns: »Ich werde beten, damit Ihre Gebete helfen.«
    »Robbie«, sage ich, »Sie sollten Oniril nehmen. Die moralische Wirkung ist ausgezeichnet.«
    »Nein, ich verzichte darauf.«
    An dieser Stelle hustet Caramans.
    »Außerdem ist es wohl nicht angebracht, das Oniril als Allheilmittel zu betrachten«, sagt er mit jenem unnachahmlichen Gesichtsausdruck, mit dem er zu jedem Problem die Stimme der Vernunft erschallen läßt. »Es eignet sich wahrscheinlich nicht für alle Fälle.«
    »Darin bin ich nicht Ihrer Meinung«, entgegnet Robbie spöttisch. »Das Oniril ist durchaus für alle Fälle geeignet, die hier auftreten.«
    Wieder Schweigen. Die Stewardess sagt mit sanfter Bestimmtheit: »Selbst wenn Monsieur Robbie die Dragees nehmen wollte …«
    »Aber Robbie nimmt sie nicht«, sagt Robbie.
    »… könnte ich sie ihm schwerlich geben. Außer der Packung, die ich für Mr. Sergius geöffnet habe und die ich für ihn reserviere (ich bin ihr dankbar für diesen Satz und auch für den dazugehörigen Blick – oder ist es wieder eine Illusion?), habe ich keine mehr! Die anderen sind verschwunden!«
     
    »Verschwunden!« ruft Blavatski mit funkelnden Augen. »Und wann haben Sie das bemerkt?«
    »In dem Augenblick, als ich Mr. Sergius sein Oniril gegeben habe. Ich hatte neun Packungen gezählt. Geblieben ist mir davon nur die eine, die ich für Mr. Sergius geöffnet habe.«
    Sie zieht sie aus der Tasche ihrer Uniform. Wir sehen verblüfft die Schachtel und dann uns gegenseitig an.
    »Wenn acht Schachteln Oniril verschwunden sind«, sagt plötzlich Mrs. Banister in schneidendem Ton, »dann muß sie jemand gestohlen haben.«
    Diese hochherrschaftliche Direktheit packt das Problem auf eine Art an, die aus mir noch unverständlichen Gründen Blavatski in Verlegenheit zu bringen scheint. Aber Robbie läßt ihm keine Zeit, sich zu äußern.
    »Wieviel Dragees befinden sich in einer Schachtel?« fragt er die Stewardess.
    Die Stewardess öffnet die unansehnliche graue Schachtel, die weder ein Etikett trägt noch eine Gebrauchsanweisung enthält, schüttet den Inhalt in die hohle Hand und zählt laut achtzehn Dragees. Da sie mir gestern abend ein Dragee und ein zweites heute früh gegeben hat, ist die Rechnung einfach.
    »Zwanzig«, sagt sie.
    »Neun Schachteln mit je zwanzig Dragees, das macht 180«, sagt Robbie und vertieft sich in eine Rechnung, deren Bedeutung niemand versteht.
    Blavatski schweigt währenddessen. Unser Superbulle ist plötzlich sehr passiv und sehr diskret. Da stiehlt jemand in seinem Beisein acht Schachteln einer zweifellos sehr starken Droge, und er unternimmt nichts, leitet nicht die geringste Untersuchung ein. Er verhört niemanden. Er äußert nicht den geringsten Verdacht – nicht einmal den naheliegendsten …
    Ein schnappendes Geräusch. Mrs. Boyd, die sich mit ihrem Toilettenwasser besprühen mußte, hat ihre Krokodilledertasche wieder zugemacht und legt sie auf ihre Knie. Die runden Augen gereizt auf Chrestopoulos gerichtet, sagt sie in ihrem Bostoner Dialekt:
    »Mr. Blavatski, warum fragen Sie nicht Mr. Chrestopoulos, was er früh um zwei in der Pantry gemacht hat, nachdem die Stewardess Mr. Sergius ins Flugzeugheck entführt hatte?«
    Ich starre sie sprachlos an. Nicht daß sie den Griechen beschuldigt, setzt mich in Erstaunen, sondern daß sie meinen Traum bekräftigt. Mein Blick fällt auf die Stewardess. Sie rührt sich nicht. Ihr Gesicht ist eine Maske. Wie aber kann sich im Heck der Maschine eine Kabine befinden, und wie soll ich die Kraft gehabt haben, mich dorthin zu begeben, selbst wenn die Stewardess mich stützte?
    Chrestopoulos reagiert lebhaft, aber spät.
    »Halten Sie den Mund, Sie verrücktes Weib!« schreit er, aufgeregt, schwitzend und einen starken Geruch verbreitend. »Ich habe mich die ganze Nacht nicht vom Fleck gerührt!«
    Seine dicken, wulstigen Finger zittern, tasten nach seiner gelben Krawatte, nach seinem Hosenschlitz und nach den nicht mehr vorhandenen Ringen.
    »Sie lügen, Monsieur«, sagt Mrs. Banister schneidend. »Auch ich habe Sie gesehen. Ich dachte, Sie hätten Hunger und wollten die lange Abwesenheit der Stewardess nutzen, um sichin der Pantry etwas zu essen zu stehlen. Aber ich begreife jetzt, daß die Wahrheit ganz anders aussieht. Sie

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