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Madrapour - Merle, R: Madrapour

Madrapour - Merle, R: Madrapour

Titel: Madrapour - Merle, R: Madrapour Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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er Caramans herausfordernd an, aber Caramans beschränkt sich auf seinen Flunsch und ein unmerkliches Achselzucken, ohne die Augen von
Le Monde
zu heben.
    Blavatski lächelt.
    »Aber ich habe meine Meinung tatsächlich ein wenig geändert«, fährt er mit seiner schleppenden Stimme fort. »Als ich nämlich auf der Passagierliste dieser Chartermaschine den Namen von Monsieur Caramans las, habe ich mir gesagt: wennMonsieur Caramans so eine Reise auf sich nimmt, um sich davon zu überzeugen, ob das Erdöl von Madrapour kein Mythos ist, dann existiert dieses Madrapour vielleicht doch. Und der von Madrapour aus betriebene Rauschgifthandel ebenfalls.«
    Mich verblüfft es erneut, mit welcher ungezwungenen Offenheit Blavatski sein Spiel vor Chrestopoulos spielt. Aber die Fortsetzung ist noch offener – und direkter.
    »Mr. Chrestopoulos«, fragt Blavatski liebenswürdig, »sind Sie schon einmal in Madrapour gewesen?«
    »Nein«, antwortet Chrestopoulos, unruhig blinzelnd.
    »Sie können mir also nicht sagen, ob es in Madrapour Rauschgift gibt?«
    »Nein«, sagt Chrestopoulos und legt vielleicht etwas zuviel Hast und Energie in diese Verneinung.
    Blavatski lächelt gutmütig.
    »Sie befinden sich demnach in derselben Lage wie Monsieur Caramans mit dem Erdöl?«
    Hier schlägt Blavatski zwei Fliegen mit einer Klappe. Er macht dem französischen Diplomaten sicher keine Freude, wenn er ihn mit Chrestopoulos auf eine Stufe stellt. Aber Caramans rührt sich nicht. Die traditionelle Diplomatie hat eben wenigstens den Vorteil, daß man einzustecken lernt. Chrestopoulos hingegen wird puterrot und sagt laut in schlechtem Englisch:
    »Mr. Blavatski, das ist unerhört! Sie haben nicht das Recht, mir zu unterstellen, daß ich mich für Rauschgift interessiere!«
    Auf mich wirkt diese Reaktion nicht sehr überzeugend.
    »Sie haben recht«, sagt Blavatski und entblößt seine Zähne. »Ich habe nicht das Recht, schon gar nicht öffentlich, solche Unterstellungen zu äußern, und Sie hätten allen Grund, einen Prozeß gegen mich anzustrengen … Bitte, tun Sie das«, schließt er triumphierend.
    Chrestopoulos pustet wütend in seinen dichten schwarzen Bart, verschränkt die kurzen Arme über seinem Schmerbauch und stößt in seiner Sprache – die ich verstehe – leise eine Flut unübersetzbarer Verwünschungen aus.
    Alle Sprachen der Mittelmeerländer sind reich an raffinierten Obszönitäten, aber Chrestopoulos’ Raffinesse überrascht mich trotzdem: er bemüht Blavatskis gesamte Verwandtschaft. Solche Erregung muß seine Sekretion vervielfachen; ich sehe, wie ihm der Schweiß die Wangen hinunterrinnt, und der Geruchdringt bis zu mir. In diesem Augenblick habe ich aufrichtig Mitleid mit Pacaud, der neben ihm sitzt.
    »Ich für mein Teil hoffe, in Madrapour das phantastische Vier-Sterne-Hotel vorzufinden, von dem ich einen Prospekt gesehen habe«, sagt plötzlich Mrs. Banister mit fröhlicher, unbeschwerter Miene, die sie in Manzonis Augen verjüngen soll, die indessen die gegenteilige Wirkung zu haben scheint. »Ich möchte nicht gezwungen sein, in einer Holzhütte zu wohnen und mich in einem Tümpel zu waschen …«
     
    Seit einer Weile spüre ich das dringende Bedürfnis, mich ins Heck der Maschine zu begeben, und ich werde Ihnen sicher lächerlich vorkommen, aber ich kann mich vor so vielen Leuten und vor allem vor der Stewardess nicht dazu entschließen. Das Kindische dieses Zögerns ist mir wohl bewußt, aber ich bringe es erst fertig, aufzustehen, als mein Bedürfnis schon sehr dringlich ist.
    Ich durchquere die Touristenklasse, über die Leere erstaunt und vor allem darüber, daß dieser Charterflug mit nur fünfzehn Passagieren an Bord als rentabel gelten konnte. Und ich bin endlich am Ziel, als ich hinter mir eine Stimme höre.
    »Mr. Sergius?«
    Ich drehe mich um. Pacaud ist mir gefolgt.
    »Mr. Sergius, Sie sind doch bestimmt viel herumgekommen in der Welt. Was soll man von dem allen halten? Von dieser Reise? Von Madrapour? Sind wir in einen riesigen Betrug hineingeraten?«
    Während er spricht, blickt er auf mein linkes Knopfloch und scheint unangenehm überrascht, es schmucklos zu sehen.
    »Wissen Sie«, sage ich, von einem Fuß auf den anderen tretend, weil mein Bedürfnis im Stehen noch drängender geworden ist, »manche Leute glauben, daß das ganze Leben nur ein riesiger Betrug ist: man wird geboren, pflanzt sich fort, stirbt; was soll’s?«
    Monsieur Pacaud sieht mich mit runden Augen an (was bei ihm angesichts

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