Madru
Strohhalm, als sich Bru einen Weg zu ihm gebahnt hatte. »Ein Feldmarschall, ein General ... wenn ich etwas nicht werden wollte, dann das. Das war nicht gemeint, als ich versprach, Euer Ritter zu werden.«
»Mein armer Held«, sagte sie und runzelte die Stirn, »wir brauchen aber nun einmal einen General.«
»Warum führt Ihr das Heer nicht selbst an?«
»Weißt du nicht, daß ich drüben weder lieben noch töten darf? Ich darf selbst nicht einmal hinüber. Wenn ich mich bei euch einmische, und in diesem Fall scheint mir das dringend nötig, muß ich mich eines irdischen Wesens bedienen. So hat es meine gute Mutter nun vor langer Zeit einmal bestimmt. Ich bitte dich, Madru, laß mich ... laß uns jetzt nicht im Stich.«
»Was ist eigentlich mit Bri?«
»Weißt du das auch nicht?« fragte Bru erstaunt. »Freilich wird er auf unserer Seite sein, aber auch er kann kein Heer anführen. « »Und weshalb nicht?«
» Bri hat, abgesehen davon, daß er der Große Wald ist, keine Gestalt. Bri ist eine Kraft. Du begegnest ihr im Harz, im Anblick des Großen Waldes, im Rauschmoos, in den Wurzeln, den Zweigen.« »Feldherr, General«, sagte Madru immer noch ziemlich verstört, »ich kann mir nicht vorstellen, daß ich dazu tauge.«
»Denk an Alissa ... an das, was sie ihr angetan haben.«
»4«, sagte Madru, »ich bin traurig, elend traurig ist mir zumute, aber mich rächen ... damit wird doch alles nur noch schlimmer. Was tut ihr, während die Schlacht geschlagen werden wird?«
» Ich werde hier bleiben. Ich werde euch auf meine Art beistehen. Ich werde dir und allen unseren Wesen, die in die Schlacht ziehen, die Kraft geben, die sie brauchen.«
»Und wenn wir besiegt werden?«
»Das darf nicht sein.«
»Aber es werden viele sterben müssen«, erinnerte Madru. »Wenn es nach mir geht«, sagte Bru wild, »alle unsere Feinde.«
SECHZEHNTES KAPITEL
Die Schlacht der Bäume und der Bann der Stille
Die Schlacht der Bäume, so läßt sich in der »Chronik der Fürstenzeit« nachlesen, begann mit dem ersten Morgengrauen und war bei Sonnenaufgang beendet. In einem anderen Manuskript aber heißt es, sie habe sich abgespielt in dem Zeitraum, der bei dem Blinzeln eines Auges, bei einem Lidschlag, verstreicht.
Wer nun fragt, wie denn all die Ereignisse, die im folgenden hier erzählt werden, sich in diesem einen Augenblick zugetragen haben können, der möge bedenken, daß die Zeit im Diesseits und in der Anderswelt nicht gleichmäßig abläuft. Während nämlich in der Welt der Sterblichen seit der Niederbrennung der Großen Halle schon fast ein Monat vergangen war, neigte sich in der Anderswelt erst jene Nacht, die auf das Massaker folgte, ihrem Ende entgegen. So wird nun auch klar, daß die oben zitierten Schriften offenbar von einem Wesen der Anderswelt angefertigt worden sind. Die Vermutungen zuverlässiger wissenschaftlicher Forschungen zielen in letzter Zeit immer häufiger auf einen jener Eber-Jimmies, denen wir ja auch das Protokoll über das Verhör König Lausbarts durch Bru verdanken.
Es war in jener Nacht irgendwann zu der Zeit, da es zwar noch dunkel ist, man aber schon spürt, daß nun der Tag bald kommen wird. Der letzte Wachwechsel hatte schon vor einer Stunde stattgefunden. Die Ledermänner, die zu den Wachgängen eingeteilt waren, trugen über ihren Uniformen, in denen sie Madru kennengelernt hatte, weite Lederumhänge. Sie hatten ihre Eisenschwerter umgegürtet, auf die sie besonders stolz waren, und in ihren Stiefelschächten steckten Wurfmesser.
Der Mann, der um diese Zeit auf der südwestlichen Seite der Hügelkuppe Wache hielt, dachte daran, daß er wohl vor dem Winter seine Familie kaum wiedersehen werde.
Die Arbeiten an der Schneise, die durch den Bannwald geschlagen wurde, um einen Fahrweg zu schaffen, würden mindestens noch drei, vier Monate in Anspruch nehmen. Andere sprachen gleich von drei Jahren. Der Mann auf Wache war am Abend zuvor an jener Stelle gewesen, an der jetzt die Hundertschaft mit Äxten und Sägen dem Wald zu Leibe rückte. Schwere Arbeit. Jede Woche wurden die Männer, die dort schafften, ausgewechselt. Das Stück, das sie bisher freigelegt hatten, war ihm lächerlich kurz vorgekommen. Es war ihm eingefallen, daß es über den Wipfelweg zwei oder drei Tage dauern sollte, bis man zu Fuß die Grenzmark erreichte. Ehe man die Schneise nicht geschlagen, die Baumstrünke nicht gerodet hatte, ehe das Gelände nicht planiert worden war, konnten keine Wagen fahren. Ehe die Wagen, in
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