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Madru

Madru

Titel: Madru Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederik Hetmann
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Meilen zurückgelegt, als Ase Madru fragte, ob ihm aufgefallen sei, daß es nach Rauch rieche. Jetzt, da ihn sein Begleiter darauf hinwies, merkte es Madru auch. »Zehn, höchstens fünfzehn Krieger«, sagte Ase halblaut, aber sein Gesicht drückte Bestürzung aus.
    »Müssen wir vorsichtig sein?« fragte Madru.
    »Nein«, sagte Ase, »es sind Norrländer.«
    Madru überlegte bei sich, woher er das nun wieder wisse, sagte aber nichts. Sie liefen weiter am Ufer des Sees entlang. Hinter einem Schilfdickicht öffnete sich eine kleine Bucht.
    Vier schmale Nachen lagen auf den Strand gezogen. Davor, in einem mit Steinen abgeteilten Kreis, brannte ein Feuer, um das eine Gruppe von Männern stand. Sie redeten laut und selbstgefällig. Einer von ihnen drehte den Bratspieß, an dem ein Wildschwein über der Glut schmorte.
    Ein mächtiger Bursche, der Madru durch seine ungewöhnliche Kleidung auffiel, hielt ein kroß gebratenes, mit Gewürz bestreutes Fleischstück in den Händen. Das Fett troff ihm von den Lippen in seinen schwarzen Vollbart. Andere Männer waren gerade dabei, aus kleinen Fässern, die nahe an der Feuerstelle standen, Met zu zapfen. Madru verspürte Hunger.
    »Heda, Fiedler!« rief einer der Männer, offenbar der Anführer, »willkommen! Seid unsere Gäste. Zu essen ist genug da. Zu trinken auch. Aber an Musik fehlt es.«
    Ase grüßte den Mann und folgte ihm zum Feuer. Madru hielt sich hinter ihnen. Jemand schnitt mit einem Messer zwei Scheiben von dem Wildschweinbraten ab, reichte die eine Ase hin, die andere ihm. »Da«, sagte der Mann plump zu Ase, »sollst auch einen guten Tag haben.«
    Was sie feierten, fragte Ase. In den würzigen Geruch des Fleisches mischte sich noch ein anderer Geruch. Er war unangenehm süßlich.
    »Gute Beute«, hörte Madru den Mann mit dem schwarzen Bart antworten. Sein Gesicht war gerötet. Er lachte wie jemand, der damit etwas verbergen will. Jetzt betrachtete Madru sich die Kleidung des Bärtigen genauer. Er trug auf der nackten Haut ein seltsames Hemd. Es glitzerte, wenn die Sonne darauf fiel, und wenn der Mann sich bewegte, klimperte es leise.
    »Da staunst du … was, Junge!« rief der Mann und fuhr mit der Hand über die Maschen. »Aus Eisen ist es. Jawohl … ganz und gar aus Eisen. Man ist unverwundbar, wenn man es trägt.«
    »Wo habt Ihr das her?« fragte Ase und trat an den Mann heran. »Was geht dich das an?« brauste der Schwarzbärtige auf, »du sollst Musik für uns machen. Ein solches Fest wie unseres wird dir nicht alle Tage geboten. Also kümmere dich nicht um das Hemd, sondern spiel auf.«
    »Laß den Fremden in Ruhe, Orn«, sagte der Anführer und riß den Mann grob an der Schulter von Ase weg.
    »Entschuldigt«, sagte er, »Orn ist der gutmütigste Bursche von der Welt. Aber gebt ihm nur einen Tropfen Met, gleich sucht er mit jedermann Streit. Auch ich bitte Euch: spielt uns doch auf. Ich werde Euch gut bezahlen.«

Ase sagte nichts. Er nahm die Fiedel vom Rücken und begann, sie zu stimmen. Madru spürte wieder diesen unangenehm süßlichen Geruch. Die Männer, wer immer sie sein mochten, mißfielen ihm. Er ging etwas abseits und wollte sich dort ins Gras setzen. Er freute sich auf Ases Melodien und sah zum Waldrand hinüber. Ihm fiel auf, wie mächtig und hoch die Bäume dort waren. Noch nie zuvor hatte er so mächtige Bäume gesehen. Die stärksten Stämme hatten eine rötliche Rinde. Sie schienen aufzuwachsen bis in die Wolken. Und dann sah er es. Es würgte ihn vor Abscheu und Ekel. Fünf, sechs Fuß von ihm entfernt im Gras lagen nackte tote Körper. Blutverschmiert waren manche, andere angesengt. Statt Mündern, Stirnen und Wangen – nur Aschenflecke. Er schrie gellend auf. Sein Magen revoltierte. Er spie alles wieder aus, was er eben gegessen hatte. Einen Augenblick später war Ase bei ihm und legte eine Hand über seine Augen. Madru zitterte immer noch, als Ase ihn vorsichtig fortführte. Auch jetzt, blind, sah er noch die verwüsteten Gesichter der Toten, die blutigen Risse in ihren aufgetriebenen Bäuchen, die klaffenden Wunden in ihren Schädeln. Ase führte ihn hinunter zum Ufer. Unterwegs riß er ein paar große Blätter ab, die nach Minze rochen, befeuchtete sie und fuhr Madru damit übers Gesicht.
    »Besser?« fragte er.
    Madru biß sich auf die Unterlippe und nickte.
    »Warte hier, bis ich dich holen komme«, sagte Ase.
    Als er wegging, sah Madru, daß die Fiedel wieder auf seinem Rükken saß. Im Gehen griff Ase an seinen Gürtel und zog

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