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Madru

Madru

Titel: Madru Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederik Hetmann
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zorniges, wie warnend klingendes Brüllen herüber. Der Wind wurde zum Sturm. Unter sich hörten sie jetzt manchmal das Splittern dürrer Äste. Madru spürte, wie seine Beine von der zunehmenden Abkühlung der Luft klamm und gefühllos wurden. Ase und er hatten jetzt alle Mühe, auf dem schmalen Bretterpfad nicht die Balance zu verlieren. Wenn sie sich miteinander verständigen wollten, mußten sie schreien.
    »Wir werden absteigen müssen«, rief Ase durch das Geheul des Sturmes und die Zorneslaute der Mammutbäume Madru zu. »Die Geisternder Männer, die jenseits des Sees begraben worden sind, kommen durch die Luft.« Es war stockdunkel jetzt. Wolkenfetzen schwappten vorbei. Sie waren stehengeblieben. Äse hielt den Jungen an den Schultern fest.
    »Können wir denn hinunter?« fragte Madru.
    »Dreihundert Schritt … ein Ausstieg.«
    Der Sturm riß einzelne Worte aus dem Satz, zerfetzte die Worte zu Buchstaben. Schwankend gingen sie weiter. Ihre Kleider knatterten. Endlich deutete Ase mit der linken Hand nach unten. Madru erkannte Trittäste ähnlich denen, über die sie am See heraufgestiegen waren. Auch hier waren sie mit einem leuchtenden Farbstoff markiert, so daß man keine Schwierigkeiten hatte, sie in der Dunkelheit genau zu erkennen. Je tiefer sie stiegen, desto weniger war die Gewalt des Sturmes zu spüren. Schließlich war da in der Höhe über ihnen nur noch ein ferner, pfeifender Laut zu hören. Ein Sprung noch, und sie standen auf dem Waldboden.
    »Halt dich dicht bei mir«, sagte Ase und ging voran. Es war dunkel und nur Umrisse von Büschen und niedrigeren Bäumen waren zu erkennen. Weiter entfernt war das Geräusch von Wasser.
    Nach einer Weile blieb Ase stehen. Er ergriff einen Stab, der im Boden steckte und handhabte ihn wie einen Quirl. Nach einer Weile war ein schwaches Glühen zu sehen. Dann züngelte eine schmächtige Flamme. Vorsichtig nährte er sie mit dürrem Laub und modrigem Holz und legte nach einer Weile dann größere Äste nach. Im Schein des Feuers erkannte Madru, daß sie sich in einem nicht sehr dichten Gehölz am Ufer eines kleinen Sees befanden. Die Umrisse einer größeren und einer kleineren Hütte hoben sich aus der Dunkelheit.
    »Willkommen in Ängratörn«, sagte Ase. »Es ist einer der Plätze«, erklärte er, »an denen unsere jungen Leute ihre Zeit in der Einsamkeit verbringen. « Dann begann er Holz aufzusammeln und trug es in die kleinere der beiden Hütten.
    »Ruh du dich nur aus«, sagte er zu Madru und wies auf ein Moospolster. Verwundert setzte sich der Junge. Nach dem heftigen Wind und dem Gebrüll der Mammutbäume war die Stille hier geradezu unheimlich. Aber auch in der Höhe schien sich der Sturm nun völlig gelegt zu haben. Madrus Blick fiel dorthin, wo der Schein des Feuers die Dunkelheit nicht mehr aufhellte. Dort blitzten Augen von Tieren auf. Er sah nur die Augen, die neugierig funkelten, aber sie wirkten nicht feindselig und er empfand bei ihrem Anblick keine Furcht. Ase kam zurück und sog hörbar die Luft durch die Nasenlöcher ein. »Ein Dachs muß hier gewesen sein«, erklärte er, »hast du ihn gesehen?«
    »Nur seine Augen.«
    »Das ist ein gutes Zeichen«, sagte Ase, »nun leg deine Kleider ab und geh dort hinüber in die kleine Hütte. Ich habe dir eine Sauna gerichtet.« Nackt betrat Madru den Innenraum der Hütte und sah sich um. Unter einem Steinhaufen brannte in der einen Ecke ein Feuer. An der gegenüberliegenden Wand gab es in unterschiedlicher Höhe zwei Sitzbretter.
    »Setz dich zuerst auf das untere«, sagte Ase von der Tür her, »es wird rasch noch viel heißer werden hier drinnen. Aber du wirst sehen: es tut dir gut.«
    Drauf ging er hinaus und schloß die Tür hinter sich. Madru kam es vor, als bohrten sich hundert winzige Nadeln in seine Haut. Er hatte Mühe zu atmen. Er mußte all seine Willenskraft zusammennehmen, um nicht aufzuspringen und hinauszurennen. Nach einer Weile merkte er, wie sich seine Muskeln entspannten und er gleichmäßiger atmete.
    Ase schaute herein und sagte, er solle nun auf das höhere Sitzbrett steigen. Er trug eine große Tonschale, die mit Wasser gefüllt war und entleerte sie über dem Steinhaufen. Im Nu erfüllte eine Dampfwolke den kleinen Raum. Nur an dem knarrenden Geräusch der Tür merkte Madru, daß Ase wieder hinausgegangen war. Der Dampf war wie ein dumpfer Schlag, der ihn am ganzen Körper gleichzeitig traf. Das Herz schien mit seinen Schlägen den Brustkorb sprengen zu wollen. Die Hitze war

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