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Madru

Madru

Titel: Madru Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederik Hetmann
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Leute. Wenn etwas geschieht … die Dörfer, die südlich des Bannwaldes liegen, haben immer das Nachsehen. Aber ich bitte Euch, legt ein gutes Wort beim Fürsten des Waldes für uns ein. Und könnt Ihr nicht etwas tun, um die Bäume zu versöhnen, wenn wir sie erzürnt haben?«
    Ase schwieg und ging weiter.
    »… wollt Ihr ein Eisenhemd, ein Schwert? Wollt Ihr den Panzer des Ritters als Geschenk für den Herrscher des Waldes?«
    »Laßt mich«, sagte Ase unwillig, »euer Eisen könnt ihr behalten. Es wird sich rasch genug gegen euch selbst wenden. Vielleicht gegen uns alle. Macht euch endlich an die Arbeit und begrabt die Toten.«
    »Hier im Angesicht des Bannwaldes, Herr?«
    »Nein, ihr ladet sie in die Nachen und schafft sie auf die andere Seite des Sees.«
    »Wie Ihr befehlt, Herr.«
    Ase sah immer noch finster drein, als er zu Madru zurückkam. »Wir wollen rasch fort von hier«, sagte er. Zielstrebig, mit einer Handbewegung, die Madru auf die weiße Markierung am Boden hinwies, ging er auf eine mächtige Fichte am Waldrand zu.
    Während sie über die Trittäste aufwärts stiegen, überkam Madru ein merkwürdiges Gefühl. Je höher hinauf sie kamen, desto mehr spürte er ein Wiegen und Schaukeln - die Bewegung des Baumes im Wind. Es war angenehm. Es löste eine Empfindung von Leichtigkeit und ein Gefühl von Freiheit in ihm aus, wie er das in dieser Art noch nie erlebt hatte. Er war sich auch ganz gewiß, daß Bäume Wesen seien, deren Sprache er eines Tages würde verstehen können.
    Dann standen sie oben auf dem aus Brettern gefügten Pfad, der sich nach Norden in der Ferne verlor. Ein Bild bot sich, das Madru wie aus einem Traum schien. Der Bannwald reichte in einer ebenen Landschaft so weit wie man sehen konnte. Er wirkte wie ein Meer von Bäumen, auf dem die Kronen wie die Schwingungen kleiner Wellen aussahen. Zum ersten Mal begriff Madru, weshalb Norrland auch das Land des Großen Waldes genannt wurde. Er sah auf eine geschlossene Walddecke, scheinbar ohne Lichtungen oder Siedlungen. In der Nähe nahm man noch die einzelnen Baumkronen wahr, in einer Dichte, Frische und Üppigkeit des Wuchses, wie er sie sonst noch nirgends erlebt hatte. Weiter fort wurden die Bäume allmählich zu einem lichtgrünen Pelz eines gewaltigen Tieres, zu einem Fell, in dem dort, wo Fichten und Tannen die Laubbäume überwogen, dunkle, unregelmäßig verlaufende Muster auftauchten.
    Die Mammut-Bäume, die manchmal in kleinen Gruppen von vier, fünf Stämmen zusammenstanden, meist aber einzeln und in gewisser Entfernung voneinander aufragten, kamen Madru vor wie Riesen mit grünen Federbüschen auf ihren Helmen.
    Vielleicht das Erstaunlichste aber waren die Geräusche, die diese Stämme von sich gaben, wenn ein stärkerer Windstoß kam. Es war wie das Knurren oder Gähnen eines Fabelwesens, eher ein behaglicher als ein erschreckender Ton, keinem der Laute von Menschen und Tieren vergleichbar, und Madru stellte sich vor, welche Genugtuung es bedeuten müsse, zu verstehen, was diese Riesen da murmelten oder beim Gähnen sich zuraunten.
    Ass hatte Madru erzählt, der Bannwald sei Urwald, am Grund über weite Strecken unbegehbar und undurchdringlich für Menschen. Im Osten schütze Norrland die Miliz, im Westen die zerklüfteten hohen Gebirge, im Norden die Schneefelder und ewiges Eis, im Süden aber der Bannwald. Freilich könne jemand versuchen, ihn durch Feuer niederzulegen. Aber einen solch gewaltigen Frevel an Bäumen würde kein Norrländer wagen und selbst den Barbaren im Süden seien die Sagen bekannt, die auf den Zusammenhang zwischen dem Untergang des Großen Waldes und dem Ende der Welt hinwiesen. Sie liefen Stunde um Stunde oben auf dem Pfad nach Norden und Madru wurde nicht müde, immer wieder seinen Blick über die grüne Weite hinschweifen zu lassen und immer wieder empfand er dabei ein Gefühl von Erstaunen und Begeisterung.
    Der Himmel über ihnen war erst blau, ohne Wolken und flimmernd von Hitzedunst, dann kam Röte auf im Westen und endlich schien es, als sei ein großes, graues Wolltuch ausgeworfen worden, durch dessen Löcher die Sterne blitzten. Nach Sonnenuntergang überkam den Jungen ein Frösteln. Die Bilder der erschlagenen Männer stiegen erneut in ihm auf. Er sah ihre schrecklichen Wunden wieder und roch den Verwesungsgeruch.
    Ein rasch an Stärke zunehmender Wind pfiff den Wanderern um die Ohren. Er ratterte und zerrte an den Wipfeln und schien von weit herzukommen. Von den Mammutbäumen klang jetzt ein

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