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Madru

Madru

Titel: Madru Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederik Hetmann
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Tischen nieder. Von den Balken hingen große gewebte Teppiche herab, ähnlich dem in der Halle daheim. Sie trugen die Wappenzeichen der einzelnen Klane, die in der Fürstensiedlung lebten. Dazwischen senkten sich Wagenräder herab, in denen armdicke Kerzen steckten, die nun rasch von Männern mit langen Dochtstangen angezündet wurden, denn die große Halle hatte keine Fenster.
    Neben den gewaltigen Flügeln des Osttores, die innen und außen mit Holzschnitzereien verziert waren, nahmen nun rechts und links je sechs Lurenbläser in hohen Stiefeln und Lederschürzen Aufstellung.
    Zwischen den zwanzig Reihen mit langen Tischen und Bänken, die Madru auf beiden Seiten des breiten Mittelganges zählte, gab es vor dem Podest mit dem Fürstentisch einen größeren freien Platz. Wenn getanzt werden würde, wie ihm Alissa erzählt hatte, dann wohl dort.
    Der Fürst reichte Schwert und Tannenstamm einem Pagen. Er winkte Madru auf den Platz neben sich, ließ sich schnaufend in seinen Stuhl fallen und nahm erst einmal einen kräftigen Schluck aus dem Pokal, der vor ihm stand.
    »Nun, mein Junge«, sagte er zu Madru, »wollen wir uns erst einmal miteinander bekannt machen. Ich heiße Bator. Und du bist also Madru. Ich denke, wir werden uns gut vertragen. Ich bin ein sehr verträglicher Mensch, wie dir sicher alle gern bestätigen werden.«
    Er klopfte Madru auf die Schulter, und der Junge empfand diese plumpe Jovialität des Fürsten als unangenehm.
    »Es wird dir schon bei uns gefallen«, fuhr der Fürst fort, »in diesem Amt läßt es sich aushalten. Man muß den Leuten nur immer das Gefühl geben, daß ihnen der Große Wald gewogen ist … daß sie sich nicht zu fürchten haben.« Er machte eine Pause. »Auch, wenn es einmal mulmig wird. Keine Angst. Das lernst du.« Er sah Madru ins Gesicht und sagte dann: »Wenn ich mich nicht täusche, dann bist du so einer … ehrlich und geradeheraus.«
    »Ich weiß nicht«, sagte Madru. Das Gespräch wurde ihm zunehmend peinlicher.
    »Ehrlichkeit«, sagte Bator, »ist gewiß eine Tugend. Aber Vorsicht ist für den Fürsten wichtiger. Du solltest dich mit den Anhängern aller drei Wege gut stellen«, fuhr er mit seinen Ratschlägen fort, »ein jeder wird versuchen, dich auf seine Seite zu ziehen, weil sie sich einen Vorteil davon versprechen, sobald du Fürst geworden bist. Ich gedenke, mich zur Ruhe zu setzen, sobald du deine Zeit im ›Haus der Lehren‹ und die ›Zeit der Einsamkeit‹ hinter dich gebracht hast. Was hat sich da eigentlich an den Schwarzen Seen zugetragen? Du warst doch dabei. Die Druiden fordern drakonische Strafen. Ase rät zur Mäßigung. Ah, vergiß meine Frage. Wir reden morgen im Rat des Waldes darüber. Noch etwas …«, er dämpfte seine Stimme zu einem Flüstern, »da du ja nun gewissermaßen endgültig zur Familie gehörst: Die Fürstin hat seit zwei, drei Jahren eine Liebschaft mit dem Erzdruiden. Das ist dieser asketische Gelehrtentyp mit dem langen dünnen Schnurrbart da drüben. Er ist sehr ehrgeizig. Alle glauben sie, ich wisse von nichts, aber ich weiß genau Bescheid. Die beiden konspirieren gegen mich. Sollen sie; ich warte nur, bis ich hinreichende Beweise dafür in den Händen habe, daß sie mich stürzen wollen. Dann heißt es ›Kopf ab!‹ Keine Gnade. Du mußt dich auch vor ihnen in acht nehmen. Von nun an bist du ihnen mehr im Weg als ich. Man kann ihnen das Schlimmste zutrauen. Ich für meine Person vertreibe mir die Zeit am liebsten auf der Jagd. Die Fürstin hält die Bärenhatz für ein rohes Vergnügen. Mag sie. Für dich werden wir auch bald eine Frau finden müssen.«
    Madru war ganz bleich geworden bei diesem Redeschwall. Der Fürst schien seine Bestürzung bemerkt zu haben.
    »Ach«, sagte er tröstend zu Madru, »du wirst sehen, das ist alles halb so schlimm wie es sich anhört. Man gewöhnt sich daran. Und manchmal macht das Leben trotz all dem Spaß. Jetzt wollen wir vergnügt sein. Das Volk erwartet das von uns.«
    Er hob den Arm: »Das Fest soll beginnen!« rief er laut in die Halle. Die Lurenbläser bliesen ein schrilles und unrein klingendes Signal und schon bewegte sich ein merkwürdiger Zug, begleitet von vielstimmigen Ah- und Oh-Rufen der Gäste, durch das Osttor in die Halle hinein.
    Jeweils zwanzig Männer trugen große Bretter, auf denen halbe Ochsen, Spanferkel, gebratene Elchslenden, Bärenschinken, geräucherte Forellen und Spieße mit gebratenen Wildtauben lagen. Dann kamen andere, welche die Körbe mit dem Festbrot

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