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Madru

Madru

Titel: Madru Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederik Hetmann
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pflegten, somit … Nun gelangen Nachrichten über Streitigkeiten zwischen dem Herrscher des Waldes und den Jarls mit einer Geschwindigkeit, die ans Wunderbare grenzt, zu unseren Nachbarn im Süden. Rechnen wir einmal weiter. Einer dieser Nachbarn ist ein gewisser König Lausbart. Einer seiner Ritter und dreißig seiner Soldaten wurden nahe der Grenze im Schatten des Bannwaldes erschlagen. Es gab Leute, die es einzurichten Wüßten, daß die Mörder dieser Männer der ihnen vom Orakel bestimmten Strafe, mit der allein die Tat gesühnt worden wäre, entgehen konnten. Eine merkwürdige Angelegenheit. Es gibt Gerüchte, vor denen ich freilich meine Ohren verschließe, weil ich prinzipiell nichts auf Gerüchte gebe, Gerüchte, die besagen, jene Mörder seien gewarnt worden von Leuten aus der unmittelbaren Umgebung des Sternensohnes und einer meiner Töchter. Die Gerüchte behaupten auch, es sei Hexerei im Spiel gewesen. Ich betone noch einmal: ich lasse mich von solchen Ammenmärchen nicht beeindrucken, aber es gibt nicht wenig Leute, die sie glauben. So, und nun wollen wir einen Schlußstrich ziehen, alles zusammenzählen und sehen, was unter dem Strich dabei heraus-kommt. Also, auf den ersten Blick würde ich sagen: die Sklaverei abzuschaffen, das müssen wir uns leider verkneifen. Und was die toten Männer angeht, so wollen wir dem Wald danken, wenn König Lausbart solch guten Vorwand nicht doch noch eines Tages dazu benutzt, uns mit Krieg zu überziehen oder uns einen höheren Tribut abzupressen, den wir nicht zahlen könnten, weil wir uns sonst den Großen Wald zum Feind machen müßten.«
    »Ich denke, der Bannwald schützt uns?«
    »Von Süden her … gewiß. Im Westen das Gebirge, im Norden die Wildnis mit Eis und Schnee und vom Osten die See … so geht die Rede. In Wirklichkeit ist unser Land von Osten offen wie ein Scheunentor.«
    »Und die Miliz?«
    »Die reichte nicht hin, wenn sich der Adel beim Heerbann verweigert. So sieht es aus.«
    »Aber du könntest doch wenigstens Kolwey und seine Frau freikaufen. Ich bitte dich darum …«
    »Und ich muß dich darum bitten, nicht darauf zu beharren. Sie freizukaufen, das würde einen sehr schlechten Eindruck machen. Was sind das für neumodische Sitten, würde es heißen. Die Jarls würden unruhig werden.«
    Wieder einmal empfand Madru Furcht vor dem Amt, das er bald würde ausüben müssen, solche Furcht wie damals, als er sich in die Hecke verkrochen hatte, aus der ihn Ases Musik hervorlockte. »Verzeih, daß ich dich geweckt habe«, sagte Madru.
    »Schon gut«, antwortete Bator, »nur eben … wenn du wieder einmal einen solch fabelhaften Einfall hast, vielleicht, daß du dann erst einmal selbst etwas genauer nachrechnest.«
    »Ich hätte nicht gedacht, daß es so um uns steht«, sagte Madru immer noch kleinlaut.
    »Nun, gleich den Kopf hängen zu lassen, brauchst du auch nicht«, sagte Bator. »Seit zweihundert Jahren ist es den Leuten im Süden nicht mehr eingefallen, uns mit ihrem Besuch zu beehren. Vielleicht haben wir noch einmal zweihundert Jahre Ruhe. Wer weiß. Etwas Glück ist immer nötig.«
    Grübelnd lief Madru zum Haus der Lehren zurück. Unruhig wälzte er sich in seiner Zelle auf dem Strohsack. Nach einer Weile stand sein Entschluß fest. Er nahm das Medaillon, steckte es in die Hosentasche, knotete das Tuch aus Herbstlaub, das ihm Alissa geschenkt hatte, um den Hals, weckte Padur und bat ihn, ihn im Unterricht zu entschuldigen. Was er denn vorhabe, fragte der Freund erstaunt.
    »Laß mich«, sagte Madru, »ich habe eine Schuld zu begleichen. Es ist ein weiter Weg.«
    Draußen schnallte er die Schneereifen unter, ergriff die Stöcke und stapfte los. Es schneite heftig, und der Schneefall nahm im Lauf des Tages eher noch zu. Trotz der Schneereifen sank er manchmal tief ein. Er hielt eine Art Trab durch, wie ihn Ase seinen Schülern für dieses Gelände bei solcher Witterung empfohlen hatte. Er machte sich Wegzeichen mit Steinen und mit Kerben an Baumstämmen. Die Tage waren kurz um diese Jahreszeit. Noch vor Sonnenuntergang erreichte er das Gehöft des Jarl, dessen Sklave Kolwey war.
    Er betrat das Haus durch die Hintertür und kam in die Küche. Kolwey saß am Herd und schnitzte an einer Spindel. Er hielt inne, kniff die Augen zusammen und schüttelte dann wortlos den Kopf. Malm griff in die Tasche, holte das Medaillon hervor und drückte es ihm ebenfalls wortlos in die Hand. Kolwey sah auf das Schmuckstück und küßte es.
    »Ein langer Weg liegt

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