Madru
zwischen dem Wörtchen ›wenn‹ und dem Wort ›Freiheit‹«, sagte Madru.
Kolwey grinste verschmitzt. »Gehört ist nicht erfahren.« »lind Dank für das Bilderspiel«, sagte Madru.
»Einem Sklaven schuldet ein Herr keinen Dank«, sagte Kolwey abweisend, fast empört.
»Noch bin ich kein Herr«, antwortete Madru, »hast du mir nicht gesagt, daß ein paar von euch Hoffnung in mich setzen? Besser, du sagst ihnen, wenn das Gespräch wieder darauf kommt, es gibt keine Chance … damit sie nicht umsonst hoffen.«
»Hoffnung ist nie vergebens«, sagte Kolwey, »wer seine Hoffnung fortwirft, ist lebend schon nicht mehr lebendig.«
»Wir sind quitt«, sagte Madru.
Kolwey sah ihn mit einem spöttischen Lächeln an. »Und wenn ich nun mit einem Herrn, wie du einer bist, gar nicht quitt sein will?« meinte er und fuhr dann fort: »Warte. Der Weg bei diesem Wetter ist eine Zugabe wert.«
Er verschwand aus der Küche. Nach einiger Zeit kam er zurück und verbarg etwas in seiner Hand. Er sagte: »Das Tuch, das du da umhast, ist kein sehr starker Zauber. Man kann damit Regen zaubern. Man kann Tänzer, wenn sie es ansehen, lustig werden lassen. Man kann mal einen Nebel machen, in dem sich ein Trupp Soldaten verirrt. Aber sehr viel weiter wirst du damit nicht kommen. Wenn du im Winter viel im Wald unterwegs bist, brauchst du einen anderen Talisman. Hier …«
Er drückte Madru eine Wolfspfote in die Hand. »Wenn die Burschen hungrig sind, können sie ziemlich zudringlich werden. Solange du die Pfote bei dir auf dem Leib trägst, werden sie dir nichts tun. Und sollte dir einmal einer frech kommen oder an den Kragen wollen, dann fahr dreimal mit dem Daumen darüber und du wirst die beste Leibwache haben, die man sich wünschen kann.«
»Danke«, sagte Madru. Er wollte sich sofort wieder auf den Heim• weg machen.
»Jetzt bei diesem Wetter …?«
»Ja doch.«
Ob er nicht müde sei?
»Ein wenig schon«, erwiderte Madru. Er wolle probieren, ob er es nicht trotz der Müdigkeit schaffe.
»Du bist einer, der viel von sich verlangt«, sagte Kolwey, »ich rate dir, sei freundlicher zu dir oder nimm dir eine Frau.«
Er wolle über den guten Rat nachdenken, erwiderte Madru und war schon zur Tür hinaus. Freundlicher mit mir selbst oder eine Frau, murmelte Madru vor sich hin, während er durch den tiefen Schnee stapfte. Es war kälter geworden. Der Vollmond und die klaren Sterne machten die Welt groß und weit. Nach zwei Stunden, als er nur noch taumelnd vorankam, war er bereit, seinen Entschluß, sich ohne zu schlafen auf den Rückweg zu machen, töricht zu finden.
Er bekam Seitenstechen. Seine Bewegungen erschienen ihm plötzlich unerhört langsam. Er drückte das Tuch auf sein Herz. Etwas Merkwürdiges geschah. Eine kurze Zeit beleuchtete die Sonne die verschneite Waldlandschaft. Dann verblaßten ihre Strahlen, hatten keine Wärme mehr. Es half nichts, den Zipfel des Tuches wieder aufs Herz zu drücken. Um ihn war wieder kaltes eisgraues Zwielicht. Er hörte ein Wolfsrudel in der Ferne heulen, aber die Tiere kamen nicht nahe heran.
Bei jedem Schritt mußte er gegen die Versuchung ankämpfen, sich in den Schnee fallen zu lassen. Sein Atem ging pfeifend. Nur einen Augenblick Schlaf. Er wußte: das würde den Tod bedeuten. Aber vielleicht war der Tod gar nicht so schlimm. Einmal, da war er gestorben. Wie war das gewesen? Nicht schrecklich. Keine Schmerzen. Keine Atemzüge, bei denen man jedesmal das Gefühl hat, von einem Messer durchbohrt zu werden.
Lag er schon im Schnee oder lief er noch? Er stellte sich vor, langsam kämen die Wölfe näher. Er hörte sie. Er spürte sie. Dieser wilde Geruch.
Der Schnee lag an dieser Stelle so hoch, daß die Tiere Mühe hatten, zu ihm zu heranzukommen. Er fragte sich, ob Kolwey zu trauen sei. Wer verließ sich auf einen Sklaven? »Ich! Der Sohn einer Sklavin«, hörte er seine eigene Stimme schreien. Ein paar von den Tieren hatten es jetzt geschafft. Sie fingen an, ihn zu beschnüffeln. »Wolfsfutter«, hörte er Padur sagen. »Freundlich sein 'ui( sich selbst«, sagte Kolwey. Er hörte andere reden. Das war keine Menschensprache. Es waren Wolfslaute. Merkwürdigerweise verstand er sie. Vielleicht war es ja nur ein Traum.
»So ein Dummkopf, sich hier hinzulegen.«
»Endlich was zu fressen …!«
»Viel ist an dem nicht dran.«
Verrückt, ihre Sprache verstehen zu können. Jedes Wort. Es sprengte einem nahezu den Schädel. So war das also bei Alissa. »Er hat sich
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