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Mächtig gewaltig, Egon - Jensen, J: Mächtig gewaltig, Egon

Mächtig gewaltig, Egon - Jensen, J: Mächtig gewaltig, Egon

Titel: Mächtig gewaltig, Egon - Jensen, J: Mächtig gewaltig, Egon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacob Wendt Jensen , Deutsch von Janine Strahl-Oesterreich
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immer größer wurden, fiel es ihm auf einmal nicht mehr so leicht, auf der Bühne oder vor einer Kamera zu stehen. Der Mephisto im »Faust«, der Sganarelle in »Don Juan«, Mackie Messer in der »Dreigroschenoper«, Robes-pierre in »Dantons Tod« und Edgar in »Play Strindberg« – jede Rolle stellte eine immer gößere Herausforderung dar, und ihm wurde zunehmend klar, »dass Schauspieler zu sein eine verdammt ernste Sache ist. Gleichzeitig begriff ich aber, dass, je höhere Ziele ich mir steckte, ich auch umso größere Freuden erlangen konnte. Und trotzdem war ich überrascht und geschockt, als ich das Angebot bekam, die Titelrolle in ›Arturo Ui‹ zu spielen.«
    Obgleich ihn das Angebot für Arturo Ui überrumpelte, sagte er schnell zu.
    Peer Gregaard vom Det Ny Teater wollte das Stück herausbringen, inszenieren sollte es Hans-Henrik Krause, der in jenen Jahren ein wahres Brecht-Fieber in dänischen Theatern verbreitete. Die Fluggesellschaft SAS setzte sogar Sondermaschinen ein, um Theaterinteressenten von Kopenhagen nach Aalborg zu fliegen, damit sie dort Brecht-Aufführungen sehen konnten. So etwas gab es weder vorher noch danach.
    In den sechziger Jahren wurde das Det Ny Teater mit seinem modernen, mutigen Repertoire ein harter Konkurrent für das Königliche Theater. Mit der Figur des »Ui« zog Brecht Parallelen zwischen Hitler und Gangstern wie Al Capone, Krause hatte die Bühne mit düsteren, schwarz-weiß bemalten Clownsgestalten gefüllt. Ein haarsträubend anderer Ove Sprogøe stand plötzlich auf der Bühne. Fast bis zur Unkenntlichkeit geschminkt, mit einem abstehenden Oberlippenbart aus Schaumgummi und einem Gesicht, das in ständiger Bewegung war. Immerfort springend und prustend. Der Kritiker Harald Engberg, einer der ruppigsten und rüdesten seines Fachs seinerzeit, urteilte über Ove: »Seine plastische und verbale Darstellung von Hitler war nicht die ganze Zeit auf dem Höhepunkt, doch für Augenblicke blitzte Genialisches auf. Die Rolle des Arturo erfordert eine ausgeprägte Redekunst wie die eines Chaplin in ›Der große Diktator‹ und in den Bewegungen akrobatische Slapstick-Fertigkeiten, um dem unerträglichen Verlauf eine faszinierende Hampelmannsabsurdität zu verleihen, was das Ganze nicht nur aushaltbar macht, sondern auch verdammt unterhaltsam. Sprogøe hatte diesen Stil. Seine psychopathischen Wechsel von erbärmlichen Heulereien zu wahnsinnigen Ausbrüchen, die in sich selbst erstickten, waren so komisch und grotesk, dass wahrscheinlich hier die Übung den Meister macht.«
    Ove stand bei den Vorbereitungen mehr unter Druck als sonst, war noch konzentrierter als üblich und hielt sich fast nur auf der Bühne auf. Ein Kraftakt für ihn. »Nach der Hälfte der Proben hatte ich das Gefühl, von den hohen Forderungen, die die Rolle an mich stellte, erdrückt zu werden. Von Komik zu Ernst geht es kopfüber in Artistisches. Da darf es keine Pausen geben, die Turbine arbeitet und muss am Laufen gehalten werden. Und dann freut man sich, wenn man das Glück hat, so langsam ein paar kleine Wege zu entdecken, die vorwärtsweisen. Man kann ja nie die Erfahrung, die man von anderen Rollen haben müsste, direkt übernehmen und anwenden.«
    Er hätte weiter Komödien spielen können, das wäre einfacher für ihn gewesen. Indem er sich gegen das leichte Fach entschied, hat es sich Ove schwer gemacht: »Da war ich nun kurz davor, über Arturo Ui zu Boden zu gehen, und Probe für Probe hörte ich vom Regisseur: ›Kommt mir jetzt nicht mit dem ganzen alten Filmquatsch, den du sonst machst!‹ Und ich denke: Weshalb zum Teufel hat er mich denn genommen? Er kämpfte und kämpfte, um die verschiedenen Bedeutungen herauszufinden, die in einem Satz liegen konnten, und ich dachte, da gibt es nur eine. Wenn da also steht, die Sonne ist rot, dann ist sie eben rot. Aber nein! Bequem war das nicht gerade und wird es auch nie sein. Es ist, als würde man sich die Knochen brechen – jedes Mal.«
    Wer Ove Sprogøe in dieser Rolle gesehen hat, weiß, dass das sein Vermächtnis als Theaterschauspieler ist. Zwar wollte man Ove unbedingt für die Komödie, weil er einer der wenigen war, die die Leute zum Lachen bringen konnten, aber der Charakterschauspieler lag in ihm und drängte nach außen.
    »Arturo Ui« bescherte Ove auch persönlich eine seiner wichtigsten Begegnungen. Er lernte den 15 Jahre jüngeren Morten Grunwald kennen. Zu dem Zeitpunkt konnte keiner von beiden ahnen, dass sie einmal in mehr als

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