Maechtig, mutig und genial
entschärfen. Viele Kämpfe im Kabinett verlor sie. So wurden gegen ihren Willen eine weitere Überlandstraße und zwei Wasserkraftwerke in Amazonien gebaut. Als die Fertigstellung des Atomkraftwerkes Angra III zur Debatte stand, konnte sie sich ebenfalls nicht durchsetzen. In anderen Bereichen war sie erfolgreich, etwa beim Schutz des Fischbestands des Rio Madeira. Vor allem aber war es unter ihrer Ägide gelungen, ab 2003 die Entwaldung von 28 000 Quadratkilometern pro Jahr auf 12 000 Quadratkilometer zu senken. Als die Abholzung 2008 wieder zu steigen begann, wies sie die Behörden an, hart gegen Brandrodungen vorzugehen. Die Namen der verantwortlichen Holz-, Vieh- und Sojabarone wurden im Internet veröffentlicht, und wer ihnen Kredite gab oder etwas abkaufte, machte sich selbst strafbar. Mehr als 700 Personen wurden wegen illegaler Aktivitäten im Regenwald verhaftet.
Am 13. Mai 2008 trat sie zurück, weil die Umsetzung des neuen Entwicklungsplans für Amazonien nicht ihr, sondern dem Minister für strategische Angelegenheiten, Roberto MangabeiraUnger, übertragen wurde. Präsident Lula begründete diese Ernennung damit, dass dieser im Gegensatz zu Silva unabhängig sei. Ihr Traum, dass nachhaltige Entwicklung zum durchgängigen Politikprinzip erhoben würde, hatte sich nicht erfüllt. Ein gutes Jahr später kehrte sie auch der Arbeiterpartei den Rücken, nach rund 30 Jahren Mitgliedschaft. Sie verglich diesen Entschluss mit der Entscheidung, das Elternhaus zu verlassen.
Bereits ab 2007 war sie wiederholt von ihren Anhängern aufgefordert worden, sich um die Präsidentschaft zu bewerben. Eine Zeitlang keimte sogar Hoffnung auf, sie könnte Präsident Lulas Nachfolgerin werden, doch der hatte sich bereits dafür entschieden, seiner Partei seine Präsidialamtsministerin Rousseff als Kandidatin vorzuschlagen. Nach Marina Silvas Austritt aus der PT trug ihr dann die bis dato unbedeutende Grüne Partei die Kandidatur an. Im Juni 2010 nahm sie an und erklärte, sie wolle als erste schwarze Frau aus armen Verhältnissen in den
Palácio do Planalto
einziehen. Doch Dilma Rousseff, ihre Widersacherin im Kabinett Lula, trug den Sieg davon. Silva wurde hinter dem Sozialdemokraten José Serra Dritte, sie bekam beachtliche 19,4 Millionen Stimmen. In einigen Großstädten, darunter die Hauptstadt Brasilia und Belo Horizonte, konnte Marina sogar ihre beiden Gegenkandidaten schlagen. In der Stichwahl zwischen Rousseff und Serra bezog sie für keinen der beiden Kandidaten Position.
Vor allem von progressiven Kräften musste sich Silva Kritik gefallen lassen, weil sie Stammzellenforschung, Abtreibung und Homosexuellenehen ablehnt und das Recht der Adventisten verteidigt, an ihren Schulen nicht die Evolutionstheorie, sondern den Kreationismus zu lehren, der von einem Schöpfungsakt ausgeht. Dem Glauben müsse der gleiche Stellenwert eingeräumt werden wie der Wissenschaft, so ihre Forderung. In religiösen evangelikalen Kreisen, aber auch unter katholischen Bischöfen hat Marina dies jedoch Zustimmung eingetragen.
Nach ihrem unerwarteten Wahlerfolg wollte sie die Grüne Partei dazu bewegen, sich nicht nur vorwiegend um Umweltaspekte zu kümmern, sondern grundlegende politische Reformen im Sinne der sozialen Basisbewegungen in ihr Programm aufzunehmen. Damit scheiterte sie jedoch und kehrte auch den Grünen den Rücken. Diese sahen sich von ihr getäuscht, weil sie gehofft hatten, mit ihr als Führungsfigur auch bei den Kommunalwahlen 2012 punkten zu können. Marina Silva bemüht sich nun um den Aufbau einer eigenen politischen Bewegung.
Die brasilianische Filmemacherin Sandra Werneck verfilmt zur Zeit Marina Silvas Leben.
Ausgewählte Literatur:
Juan Arias: »Marina Silva quiere fundar un nuevo movimiento político en Brasil«. In:
El País
, 23.6.2011. Auf: http://internacional.elpais.com/internacional/2011/06/23/actualidad/
1308780008_850215.html , 14.5.2012.
Ana Flor: »Marina Silva: A filha da floresta«. Auf: http://www1.folha.uol.com.br/poder/744238-marina-silva-a-filha-da-floresta.shtml , 14.5.2012. Kurzbiographie mit persönlichen Daten sowie Informationen zu ihrer politischen Arbeit und ihren Konflikten als Ministerin.
Ziporah Hildebrandt:
Marina Silva. Defending Rainforest Communities in Brasil
. New York 2001. Ausführliche Biographie, die ihren privaten und politischen Werdegang bis 1999 beschreibt.
Christian Schwägerl: »Schutzpatronin des Regenwalds tritt ab«. Auf:
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