Maechtig, mutig und genial
sie, sie sei falsch verstanden worden.
Nur wenige Wochen später trommelte sie die internationalen Medien zusammen, da ihr zweijähriger Großneffe entführt worden sei. Hinter dem Verschwinden des Kindes steckten »mächtige Sektoren der Gesellschaft« erklärte sie, dies zeige sich an der perfekten Planung des Verbrechens; anonyme Anrufer hätten eine halbe Million Dollar für die Freilassung gefordert. Es gebe Hinweise, dass man mit der Entführung sie selbst angreifen wolle. Eine neuseeländische Indianerin, die sich gerade in Guatemala befand, bot auf einer Pressekonferenz an, sich gegen das Kind austauschen zu lassen. Schließlich stellte sich heraus, dass Menchú bereits am Abend zuvor gewusst hatte, wo sich der kleine Juan Carlos aufhielt: Sein Vater hatte ihn zu seiner Großmutter gebracht, weil er sich mit seiner Frau, der Nichte Menchús, zerstritten hatte. In einer weiterenBiographie erklärte sie dann 1997 wenig glaubhaft, der Vater des Jungen hätte Hintermänner gehabt, die ihn zu der Entführung angestiftet hätten.
Am 2. Dezember 1999 reichte Rigoberta bei einem spanischen Gericht eine Klage wegen Völkermordes, Folter und Staatsterrorismus gegen mehrere ehemalige Diktatoren und hohe Militärs ihres Landes ein, und zunächst wurde diese auch angenommen. Ein Jahr später erklärte jedoch eine höhere Instanz die spanischen Gerichte für nicht zuständig, da die guatemaltekische Justiz selbst in der Lage sei, die Fälle zu untersuchen. Bis heute ist es jedoch in Guatemala zu keinem Prozess wegen der Verbrechen der Diktatur gekommen. Ex-Diktator Efraín Ríos Montt (1982–1983) war sogar nach der formalen Rückkehr zur Demokratie eine Weile Parlamentspräsident.
2003 wurde Rigoberta Menchú dann Aktionärin und Präsidentin der Firma
Salud para Todos
(dt.: Gesundheit für alle), Tochtergesellschaft einer großen mexikanischen Pharmaziekette, die Generika zu niedrigen Preisen anbietet. Ángel Francisco Canil, ihr Ehemann und Vater ihres Sohnes Mash Nahualja’ (dt.: Wassergeist), übernahm die Verkaufsleitung des Unternehmens. Nach fünf Jahren trennten sich die Mexikaner allerdings von ihr, Pressemeldungen zufolge im Streit.
Als sie sich 2004 entschloss, mit der Regierung des konservativen Präsidenten Oscar Berger zusammenzuarbeiten, rief dies Enttäuschung in den Reihen der Menschenrechtsaktivisten ihres Landes hervor. Sie wurde Mitglied einer Regierungskommission, die die Arbeit des Parlaments untersuchen sollte und arbeitete zudem als Botschafterin des guten Willens für die Regierung des Unternehmers Berger. »Ich glaube, wir müssen die Gelegenheit wahrnehmen, den Staat zu repräsentieren, um die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft für die Friedensverträge zu erreichen«, begründete Menchú ihre Entscheidung. Nach 36 Jahren Bürgerkrieg war es 1996 zu einem Friedensvertrag zwischen Regierung und ehemaliger Guerilla gekommen, dessen Umsetzung bis heute nicht abgeschlossenist. Rosalina Tuyuc, Vorsitzende der Vereinigung der Kriegswitwen und langjährige Kampfgefährtin Menchús, konnte nicht fassen, dass Rigoberta mit einem Präsidenten zusammenarbeitete, der es an Respekt für die Indigenen fehlen lasse. Berger nutze lediglich Menchús guten Ruf im Ausland aus, so Tuyucs Vermutung.
Rigoberta kandidierte dann 2007 zum ersten Mal selbst für das Präsidentenamt, für eine Koalition kleiner linker Parteien. Sie erhielt jedoch nur drei Prozent der Stimmen, und auch vier Jahre später, bei ihrer erneuten Kandidatur, waren es nicht mehr.
Ausgewählte Literatur:
Elisabeth Burgos:
Rigoberta Menchú. Leben in Guatemala
. Aus dem Spanischen von Willy Zurbrüggen. Bornheim 1984.
Eva Karnofsky: »Rigoberta Menchú im Zwielicht«. In:
Süddeutsche Zeitung
, 14.11.1995.
Dies.: »Rigoberta Menchú. Friedensnobelpreis-Trägerin unter Fälschungsverdacht«. In:
Süddeutsche Zeitung
, 17.12.1998.
Gudrun Lux: »Rigoberta Menchú Tum (*1959), Friedensnobelpreisträgerin aus Guatemala«. In: Annegret Langehorst, Johannes Meier und Susanne Reick (Hrsg.):
Mit Leidenschaft leben und glauben. 12 starke Frauen Lateinamerikas
. Wuppertal 2010, S. 219–231.
Rigoberta Menchú (in Zusammenarbeit mit Dante Liano und Gianni Minà):
Enkelin der Maya. Autobiographie
. Aus dem Spanischen von Werner Horch. Göttingen 1999.
Barbara Potthast:
Von Müttern und Machos. Eine Geschichte der Frauen Lateinamerikas
. 2. überarbeitete Auflage. Wuppertal 2010. S. 400–413.
Hier wird der Umgang mit der
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