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Maechtig, mutig und genial

Maechtig, mutig und genial

Titel: Maechtig, mutig und genial Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Karnofsky
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darüber gingen die Vorstellungen jedoch weit auseinander.
    Wie in der Politik war auch in der Gesellschaft der Stadt Kommunikation nicht mehr möglich. Andere Meinungen wurden nicht mehr toleriert, ja, der Respekt vor dem Leben existierte nicht mehr. Cuartas’ Ziel war es, die Kommunikation wieder herzustellen. Mit dem Rathaus fing sie an: Sie öffnete dessen Türen für die Bürger, und sie legte am Eingang ein sogenanntes Friedensbuch aus, in dem jeder seine Wünsche, Beschwerden und Anregungen festhalten konnte. Sie selbst hatte immer ein offenes Ohr für jedermann; zuhören zu können sei eine ihrer Stärken, erklärten die Menschen in Apartadó Cuartas’ Biographin. Sie organisierte Kulturveranstaltungen – Musik,Tanz, literarische Workshops oder Malkurse sollten den Menschen wieder ein wenig Vergnügen und sie einander näherbringen. Und es gab öffentliche Diskussionen, bei denen erstmals über Menschenrechte und das Recht auf Leben gesprochen wurde.
    Zudem kümmerte sie sich um Kinder und Jugendliche: Es gab über 3000 Kriegswaisen in der Stadt, und viele Kinder und Jugendliche waren voller Hass, weil Guerilla oder Paramilitärs ein Elternteil auf dem Gewissen hatten oder weil sie hatten mit ansehen müssen, wie die Eltern gefoltert worden waren. Diesem Hass wollte Cuartas entgegenwirken. In den Schulen führte sie eine »Pädagogik des Zusammenlebens« ein, und die Erarbeitung friedlicher Konfliktlösungen wurde Unterrichtsfach. Sie richtete Jugendtreffs ein, rief eine Jugendtheatergruppe ins Leben und unterstützte die Einrichtung eines Jugendkanals im Radio. Die Kinder der Stadt wurden aufgerufen, ihre eigene Vertretung im Rathaus zu wählen. Cuartas erreichte zudem, dass UNICEF zusammen mit der kolumbianischen Regierung in Apartadó eine Pilotstudie für ein Programm für Kinder in Konfliktzonen in Angriff nahm. Das Erziehungsministerium in Bogotá zeichnete Cuartas für ihre Bildungs- und Erziehungsarbeit mit einem Orden aus.
    Cuartas eröffnete auch eine Begegnungsstätte für Frauen, in der nun Frauen zusammenkamen, die bislang nicht miteinander geredet hatten, weil sie aus verfeindeten Stadtvierteln stammten. Daraus entstand dann eine Kooperative für den Vertrieb von Bananenprodukten. Mit dem Aufruf »Frauen für das Leben« machte Cuartas Krieg und Frieden in ganz Kolumbien zu einem Frauenthema. Sie wurde daraufhin zu Vorträgen in andere Gemeinden eingeladen und brachte so Apartadó in das Blickfeld der nationalen und internationalen Öffentlichkeit.
    Auch ihre Unterstützung für das »Friedensdorf« San José de Apartadó, zwölf Kilometer außerhalb der Stadt gelegen, drang über die Grenzen Kolumbiens hinaus. Dessen rund 1 300 Einwohner verpflichteten sich auf Rat des Bischofs zur Neutralität,nachdem es dort mehrfach zu Massakern gekommen war. Die Bewohner tragen seitdem keine Waffen mehr und weigern sich, mit bewaffneten Gruppen gleich welcher Couleur zusammenzuarbeiten, um sich so aus dem Schussfeld heraushalten zu können. Als Gouverneur Álvaro Uribe anreiste, um den Bewohnern anzubieten, das Friedensdorf militärisch zu schützen, lehnten die Bürger und Bürgerinnen dies ab. Uribe soll erbost wieder abgereist sein. Weder die Unterstützung von
Amnesty International
noch anderer internationaler Organisationen hat San José vor weiteren Toten bewahrt. Gloria Cuartas setzt sich weiterhin für das Friedensdorf ein.
    Die kolumbianische Familiensozialkasse Cafam wählte sie 1996 zur Frau des Jahres, im selben Jahr ernannte sie die UNESCO zur Bürgermeisterin für den Frieden.
    Den Unternehmern der Stadt schlug sie vor, weniger in Sicherheit und mehr in soziale Projekte zu investieren, und appellierte an deren soziale Verantwortung. Mit diesen Ideen stieß sie jedoch auf wenig Resonanz, sie führten sogar dazu, dass bald Gerüchte ausgestreut wurden, sie stecke mit den FARC unter einer Decke. Anfang 1997 wurde deshalb von der Armee ein Ermittlungsverfahren gegen sie eingeleitet, allerdings ohne Ergebnis. Sie muss sich den Vorwurf der Zusammenarbeit mit der Guerilla immer wieder gefallen lassen. Auch der ehemalige Präsident Álvaro Uribe kreidete ihr an, dass sie sich mit FARC-Vertretern getroffen hat, vergaß dabei allerdings zu erwähnen, dass sie bei ihrer Vermittlungsarbeit auch verschiedentlich mit Paramilitärs zusammengekommen ist. Ihre Gegner warfen ihr auch Veruntreuung von öffentlichen Geldern vor, doch diese Anschuldigungen erwiesen sich ebenfalls als haltlos. Ihre Reisen zahlte

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