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Maechtig, mutig und genial

Maechtig, mutig und genial

Titel: Maechtig, mutig und genial Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Karnofsky
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sogenannten
Testimonio
-Literatur am Beispiel Menchús exemplarisch aufgearbeitet.

GLORIA CUARTAS
KOLUMBIEN, *1960
    Die Sozialarbeiterin und Menschenrechtsaktivistin Gloria Cuartas wurde Mitte der 1990er Jahre international bekannt, als sie drei Jahre lang Bürgermeisterin der kolumbianischen Stadt Apartadó war und dort versuchte, den vom Krieg zwischen linker Guerilla, rechten Paramilitärs und Armee geschundenen Bürgerinnen und Bürgern zu einem halbwegs normalen Leben zu verhelfen. Die UNESCO zeichnete sie dafür 1996 mit dem Ehrentitel »Bürgermeisterin für den Frieden« aus.
    Gloria Isabel Cuartas Montoya wurde am 18. Juni 1960 in der Gemeinde Sabaneta im Großraum Medellín geboren. Glorias Vater, Josua Cuartas, war fliegender Händler für Heilkräuter, und sie lernte ihn erst 1993 kennen, als er bereits im Sterben lag. Gloria wuchs bei ihren Großeltern mütterlicherseits auf, während ihre Mutter, María Eugenia Montoya, in anderen Landesteilen als Hausmädchen oder Krankenpflegerin arbeitete. Gloria besuchte eine Schule der Karmelitinnen, die mit ihren Schülerinnen gemeinnützige Arbeit leisteten und ihr soziales Gewissen schärften. Durch die Nonnen kam Gloria mit der Theologie der Befreiung in Kontakt, die sie stark beeinflusst hat. Bis heute ist sie sehr gläubig.
    Nach dem Abitur war sie zunächst unschlüssig, ob sie ins Kloster gehen oder studieren sollte. 1979 schrieb sie sich dann an der katholischen
Universidad Pontificia Bolivariana
von Medellín zunächst für Soziologie ein, wechselte jedoch imzweiten Semester zur Sozialarbeit über. Bereits im ersten Semester hatte sich Gloria als freiwillige Rote-Kreuz-Helferin gemeldet. Sie spezialisierte sich auf lokale Entwicklung, Konfliktlösung und Friedensarbeit. Anfang 1985 machte sie ihr Examen. Um der Tochter das Studium an der privaten Universität zu finanzieren, war Glorias Mutter, die selbst Analphabetin war, 1979 nach Venezuela gegangen, weil sie dort mehr verdiente als in Kolumbien. Die Mutter starb 1991, während Gloria in Israel an einer Fortbildung zum Thema »Wiederaufbau von Krisenvierteln« teilnahm. 1983 hatte Cuartas bereits ihren Verlobten verloren, mit dem sie fünf Jahre lang zusammengewesen war und den sie hatte heiraten wollen. Er war unter bis heute nicht geklärten Umständen in Medellín ermordet worden. Gloria ist seitdem keine feste Beziehung mehr eingegangen und hat auf die Gründung einer Familie verzichtet, aus Angst, dass ihr nahestehende Menschen getötet werden könnten.
    Ebenfalls 1983, Gloria besuchte noch die Universität, kam es im Departement Cauca zu einem verheerenden Erdbeben, weite Landstriche wurden verwüstet. Viele Menschen hatten ihre Bleibe und ihre Habe verloren, und angesichts des Ausmaßes der Zerstörung fehlte ihnen auch die Kraft, den Wiederaufbau anzugehen. Der Architekt Gabriel Jaime Giraldo leitete damals das Wiederaufbauteam, und er brauchte eine Person, die ihm helfen könnte, den Menschen das Selbstvertrauen zurückzugeben. Er suchte unter den höheren Semestern der Sozialarbeitsstudenten der
Universidad Pontificia
– und stieß auf Gloria Cuartas. Sie sprach mit den Bewohnern der zerstörten Gemeinden und »entdeckte die persönlichen Stärken eines jeden einzelnen, und erarbeitete Möglichkeiten, wie jeder seine Fähigkeiten in den Aufbau der Gemeinde einbringen könne«, erinnerte sich Giraldo in einem Interview mit Cuartas’ Biographin Jeanette Erazo Heufelder. Sie habe bei den Opfern den Willen geweckt, die Katastrophe aus eigener Kraft zu überwinden, so der Architekt, der seitdem zu Glorias engstem Freundeskreis zählt.
    In den darauffolgenden Jahren wurde Cuartas von Giraldo immer dort eingesetzt, wo Erdbeben, Überschwemmungen oder Erdrutsche stattgefunden hatten. 1991 wechselte sie dann zum staatlichen Institut für Wohnungsbaupolitik, wo sie für die Konzeption von Wohnungsbauprogrammen in abgelegenen Gebieten zuständig war.
    Ein Jahr später kam sie in den Urabá, die Region zwischen Karibik und Pazifik an der Grenze zu Panama. Die Elektrizitätswerke von Antioquia suchten dort jemanden, der die Bauern in ländlichen Gemeinden dazu brachte, ihre Stromrechnungen zu bezahlen. Die Menschen konnten die Rechnungen nicht lesen und verstanden nicht, was sie da überhaupt bezahlen sollten. Unter dem Einfluss der FARC-Rebellen, die im Urabá besonders stark waren, hatten sie ihre Zahlungen eingestellt. Cuartas organisierte ein Gespräch zwischen Elektrizitätswerk, unzufriedenen

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