Maechtig, mutig und genial
sie, wenn man sie nicht eingeladen hatte, aus eigener Tasche; Geld und Besitztümer spielen keine Rolle für sie. Ihre Wohnung in Apartadó war kaum möbliert, in Medellín nennt sie nur ein winziges Häuschen ihr Eigen.
Im Laufe der Zeit hatten sich sämtliche Gruppierungen, die sie nach Apartadó geholt hatten, von ihr abgewandt. Sie warkeine Politikerin, sondern Sozialarbeiterin, und sie arbeitete ausschließlich sach- und zielorientiert, während es den Parteien um Machtpositionen und Posten ging. Die wiederum waren Cuartas gleichgültig. Als dann auch noch Bischof Duarte versetzt wurde, stand sie allein auf weiter Flur. Und die Zahl der Toten nahm zu. Die Stadt wurde militarisiert, und die Bürgermeisterin hatte keinerlei Einfluss mehr auf die Sicherheit in der Stadt. Während ihrer Amtszeit mussten 1200 Menschen in Folge des Krieges begraben werden. Nicht nur einmal zog sie selbst aus, um Leichen zu zählen. Von den sechs Stadträten der
Unión Patriótica
erfüllte keiner die dreijährige Legislaturperiode, sie wurden von Paramilitärs ermordet oder flohen. Von Glorias Mitarbeitern im Rathaus starben 17. Bis sie eine junge Frau einstellte, hatten sämtliche Chauffeure ihres Dienstwagens aus Angst immer bereits nach kurzer Zeit gekündigt. Viele Menschen entschuldigten sich bei ihr dafür, dass sie keinen Kontakt mit ihr haben wollten – weil sie um ihr Leben fürchteten. Doch die zähe Bürgermeisterin war es gewohnt, einsam zu sein. Sie hielt sämtlichen Unkenrufen zum Trotz bis zum Ende ihrer Amtszeit am 31. Dezember 1997 durch. Wenige Tage zuvor war bei ihren vier alten Tanten in Sabaneta eine Todesdrohung eingegangen: Vier bewaffnete Männer drangen in deren Haus ein, gingen schweigend durch die Räume und zogen wieder ab, so Cuartas’ Biographin.
Eine Verlängerung der Amtszeit ist per Gesetz nicht möglich. So verließ Curatas Apartadó und ging zunächst im Auftrag der UNESCO nach Caracas, um dort im länderübergreifenden Netzwerk der Städte für den Frieden mitzuarbeiten und ihre Erfahrungen aus Apartadó international weiterzugeben. Ende 1998 ging sie dann für die UNESCO für einige Monate in das vom Hurrikan Mitch verwüstete Honduras, um dort beim Wiederaufbau zu helfen.
Zurück in Kolumbien, beriet sie verschiedene Organisationen, die sich um weibliche Kriegsopfer kümmern, war als Beraterin der Gewerkschaft der Ernährungsindustrie tätig, leiteteein Forschungsprojekt über die Erfahrungen des Friedensdorfes San José de Apartadó und hat in verschiedenen Regionen für öffentliche Einrichtungen gearbeitet, die wirtschaftliche Entwicklung und soziale Integration fördern. Obendrein gründete sie die Kampagne
Otra Colombia es posible
(dt.: Ein anderes Kolumbien ist möglich), die im In- und Ausland für Frieden und soziale Gerechtigkeit wirbt, und sie koordinierte in Kolumbien die internationale Initiative
1 000 peacewomen across the globe
, die sich dafür stark machte, den Friedensnobelpreis 2005 an 1 000 Friedensaktivistinnen aus der ganzen Welt zu verleihen.
2007 zeichnete sie die UNESCO erneut aus, diesmal als eine der 60 wichtigsten Friedensaktivistinnen der Welt, im Jahr darauf verlieh ihr die französische Stadt Nantes einen Menschenrechtspreis.
Bereits im März 1997 hatte sie sich an der Gründung der linken Bewegung
Alternativa Democrática
(dt.: Demokratische Alternative) beteiligt, die sich 2005 mit dem
Polo Democrático Independiente
(dt.: Unabhängiger Demokratischer Pol), einem weiteren Linksbündnis, zum
Polo Democrático Alternativo
(dt.: Alternativer Demokratischer Pol) vereinigte. Gloria kandidierte 2002, 2006 und 2010 für den Senat, wurde aber nicht gewählt. Im Mai 2010 konnte sie jedoch für zwei Monate in den Senat nachrücken.
Von Juli 2011 bis Januar 2012 leitete sie das
Instituto Distrital de la Participación y Acción Comunal
(IDPAC, dt.: Distriktsinstitut für Partizipation und kommunale Aktion) der Hauptstadt Bogotá, das mehr Bürgerbeteiligung durchsetzen, die Organisation der Bürger vorantreiben und die Integration marginalisierter Gruppen erreichen soll. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Jugend, den Indigenen und auf Behinderten. Nebenbei absolvierte sie an der Hochschule für Pädagogik und Technologie ein Postgraduiertenstudium in Geographie.
Ausgewählte Literatur:
Jeanette Erazo Heufelder:
Gloria Cuartas. Bürgermeisterin für den Frieden. Porträt der kolumbianischen Menschenrechtskämpferin
. Göttingen 1999. Das Buch schildert
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